UNTER GEIERN
ORIGINAL FILM STORY UND FILM BILDER
INHALT
INFO
FILM-STORY
FILM-PLAKATE/ POSTER
REFERENZ
INFO
UNTER GEIERN
Bilder aus dem Cinemascope-Farbfilm nach dem gleichnamigen Roman von Karl May
Produktion: Rialto-Film Preben Philipsen/Jadran-Film
Regie: Alfred Vohrer
Gesamtleitung: Horst Wendlandt
Personen und ihre Darsteller:
Old Surehand . . . . . . . . Stewart Granger
Winnetou . . . . . . . . . . . Pierre Brice
Annie . . . . . . . . . . . . . . Elke Sommer
Martin . . . . . . . . . . . . . Götz George
Baumann . . . . . . . . . . . Walter Barnes
Preston . . . . . . . . . . . . Sieghardt Rupp
Weller . . . . . . . . . . . . . . Mila Baloh
Leader . . . . . . . . . . . . . Renato Baldini
Baker jr. . . . . . . . . . . . . Mario Girotti
Gordon . . . . . . . . . . . . . Louis Velle
Old Wabble . . . . . . . . . . Paddy Fox
Steward . . . . . . . . . . . . Voja Miric
Milton . . . . . . . . . . . . . . Stole Arandjelovic
Miller . . . . . . . . . . . . . . . Djordje Nenadovic
Wokadeh . . . . . . . . . . . Georg Mitic
Wokadehs Schwester . . Gordana Cosic
Bloomfield . . . . . . . . . . Dusan Bulajic
Betsy . . . . . . . . . . . . . . Dunja Rajter
Verleih: Constantin-Film
Einleitung
Der Llano Estacado ist eine tödliche Wüste, glühender Sand, unwegsame Felsengebiete, längst verdorrte, unpassierbare Kaktusfelder erstrecken sich meilenweit. Kein Tropfen Wasser ist hier zu finden. Wer sich im Llano verirrt, ist unrettbar verloren. Und trotzdem wurde der Llano Estacado zu der Zeit,
da sich unsere Geschichte abspielt, von vielen Leuten durchquert: Siedler zogen mit ihren Wagen, die all ihr Hab und Gut bargen, in den Westen. Reiche Händler, wohl mit Geld versehen, ritten durch den Llano, um in Arizona Diamanten zu kaufen. Damit sich die Leute nicht im Llano verirrten, war von ortskundigen Männern der kürzeste Weg durch die Wüste mit Stangen abgesteckt worden. Und doch verschwanden immer wieder Menschen spurlos in der Wüste. Ihre Leichen wurden weitab vom markierten Weg gefunden. Warum? In den Schlupfwinkeln des Llano Estacado verbarg sich allerlei lichtscheues Gesindel, Diebe, Räuber, Mörder. Diese schlossen
sich zu Banden zusammen, versetzten die Wegmarkierungen, lockten die Reisenden in die Irre, überfielen sie und plünderten sie aus. Diese Banden wurden allgemein die Llano-Geier genannt.
Am Rande des Llano Estacado lag die Farm von Walter Baumann. Er, seine Frau, sein Sohn Martin und seine kleine Tochter führten hier ein arbeitsreiches Leben. Oft kehrten Reisende bei ihnen ein, bevor sie sich auf den Weg durch den Llano machten. Vater Baumann war bei Indianern und Weißen unter dem namen Bärentöter bekannt und berühmt. Gerade bereiteten er und Martin sich wieder auf eine Bärenjagd vor.
In letzter Zeit hatte ein mächtiger, alter Bär öfters ein Tier
aus ihrer Langhornherde geholt. Diesem Räuber galt heute
die Jagd. Die Pferde standen bereit, die Hunde waren noch
angebunden. Martin verabschiedete sich lachend von seiner
Mutter und wirbelte seine kleine Schwester, die vor Wonne
laut jubelte, mitsamt ihrer Puppe durch die Luft. Nun kam
auch der Vater herbei, um Abschied zu nehmen. «Seid vorsichtig, du hast selber gesagt, dieser Bär sei gefährlich»,
mahnte die Mutter. Der Vater lachte: «Sei ohne Sorge, ich
heiße nicht umsonst der Bärentöter, und außerdem will ja
Winnetou mit uns auf diese Jagd ziehen.» Mit diesen Worten
band Baumann die Hunde los, bestieg sein Pferd und sprengte
davon. Martin folgte ihm. Sie wandten sich gegen das Felsengebirge, wo sie das Versteck des Bären vermuteten.
Oben im Gebirge, auf einem Felsengipfel, von dem aus er
einen freien Blick in die Ebene hatte, hielt ein indianischer
Reiter. Er trug an den Nähten ausgefranste Leggins und ein
ebensolches Jagdhemd. Seine Füße steckten in weichen
Mokassins, die mit Stachelschweinsborsten verziert waren.
Sein langes, schwarzes Haar war mit einer Klapperschlangenhaut durchflochten. Keine Adlerfeder schmückte seinen stolzen Kopf. Er bedurfte dieses Zeichens nicht, um sofort als Häuptling erkannt zu werden. Um den Hals trug er die Friedenspfeife und eine dreifache Kette von Bärenkrallen. In der
Hand hielt er ein doppelläufiges Gewehr, dessen Holzteile
dicht mit silbernen Nägeln beschlagen waren. Das war die
berühmte Silberbüchse, deren Kugel niemals ihr Ziel verfehlte. Der indianische Reiter war Winnetou, der große Häuptling der Apatschen, der edle Kämpfer für den Frieden
zwischen Rot und Weiß. Auf seinem feurigen Rapphengst
Iltschi, das bedeutet Wind, wartete er hier auf Vater und Sohn
Baumann, um sie auf die Bärenjagd zu begleiten. Als er die
beiden über die Ebene galoppieren sah, wendete er sein
Pferd und ritt ihnen entgegen. Bald trafen sie einander und
begrüßten sich nach indianischer Art. Winnetou erklärte, er
habe die Spur des Bären schon gefunden. Danach stieg er
vom Pferd und sagte: «Es ist gut, daß Ihr die Hunde mitgenommen habt. Der Bär ist oben bei den Felsen, wir müssen die Pferde zurücklassen.» Auch Vater Baumann und Martin
stiegen ab. Martin nahm die Hunde an die Kette und leise
stiegen nun die drei Jäger den Felsen entgegen. Winnetou
führte sie auf einen Felsgipfel. Dort deutete er ihnen, sich
flach auf den Bauch zu legen. Tief unter ihnen lag eine Mulde,
von hohen Felsen umgeben. Zwischen zwei Felsblöcken
gähnte dunkel der Eingang einer Höhle. Nicht weit davon
lagen die Überreste des gestern gerissenen Kalbes. Nun ließ
Martin die Hunde los. Laut bellend suchten sie sich einen
Weg nach unten. Jetzt kam der mächtige Bär aus der Höhle,
blickte nach oben und sah seine Feinde. Drohend wiegte er
den Kopf hin und her und begann dann die Felsen emporzuklettern. Doch schon griffen ihn die Hunde an. Die Gewehre
im Anschlag beobachteten die drei Jäger den Kampf. In
einem günstigen Moment schossen zuerst Vater Baumann,
dann Martin. Getroffen stürzte der Bär zu Boden. Martin stieg
in die Mulde hinunter, um die Hunde zurückzuholen. Plötzlich
knallten Schüsse. Sogleich eilten die drei Jäger zu ihren
Pferden, sprangen auf und galoppierten in die Richtung, aus
der sie die Schüsse gehört hatten. Am Rande einer Schlucht
verbargen sie sich, weil sie Hufschlag hörten. Einen Augenblick später sahen sie vier weiße Reiter im Galopp durch die Schlucht jagen. Ein Trupp Indianer verfolgte sie. Die Roten
schossen, und ein Weißer stürzte getroffen vom Pferd. Die
übrigen drei flohen weiter, die Indianer blieben ihnen hart auf
den Fersen. Vater Baumann flüsterte: «Indianer sind hinter
Weißen her, wir müssen zu Hilfe.» Sie galoppierten zu dem
gefallenen Weißen. Er war tot. Winnetou fragte: «Kennt mein
weißer Bruder diesen Mann?» Vater Baumann verneinte. Böse
setzte er hinzu: «Die Roten haben diese Weißen verfolgt und
einen getötet!» Winnetou entgegnete ruhig: «Das hast Du
gesehen, aber was sagt es Dir? Die Bösen verfolgten die
Guten - oder die Guten verfolgten die Bösen?» Baumann
gab zu: «Winnetou hat recht, das weiß ich nicht.» Da hob
Winnetou plötzlich die Hand über die Augen und blickte gespannt in die Richtung, aus der die Reiter gekommen waren.
Vater Baumann und Martin folgten seinem Blick. In der Ferne
stieg schwarzer, dicker Rauch auf. «Die Farm!», schrie Martin
erschrocken. Mit einem Sprung saßen alle wieder auf ihren
Pferden und jagten in gestrecktem Galopp durch die Schlucht nach der Farm.
Trotz ihres halsbrecherischen Rittes kamen Winnetou und die
beiden Baumanns zu spät. Die Farm war verwüstet, Stall und
Scheune niedergebrannt. Nur das Wohnhaus war unbeschädigt. Vater Baumann ließ sein Pferd stehen und machte sich auf die Suche nach seiner Frau und dem Töchterchen. Martin und Winnetou folgten ihm. Laut rufend stürmten sie durch das Wohnhaus, fanden aber die Gesuchten nicht. Nun gingen sie
auf die ausgebrannten Ställe zu. Hier fanden sie Frau Baumann und das Kind, beide waren tot. Die Kleine hielt noch ihre Puppe im Arm. Frau Baumann war aller Schmuck geraubt
worden, nicht einmal den Trauring hatten ihr die Mörder gelassen. Winnetou sagte leise: «Es waren weiße Männer, die Hufe ihrer Pferde trugen Eisen.» Aber Martin erwiderte: «Dieser tote Weiße dort hat einen Pfeil im Rücken, es waren also auch Indianer da.» - «Ja», antwortete Winnetou, «Schoschonen. Ihr Häuptling Oitka-Peteh ist ein Freund der Weißen.»
Da trat Vater Baumann haßerfüllt auf Winnetou zu und fragte
drohend: «Wer sagt, daß nicht die Indianer die Mörder sind?
Die Weißen wollten nur helfen.» Winnetou entgegnete stolz:
«Das sagt Winnetou, der Häuptling der Apatschen.» Aber
Baumann unterbrach ihn gehässig: «Der ist selber ein Roter
und will seine Brüder schützen. Das alte Wort gilt immer noch:
Ein guter Indianer ist ein toter Indianer.» Da wendete sich
Winnetou wortlos ab und bestieg sein Pferd. Bevor er losritt
rief er zurück: «Winnetou wird den Mörder finden, dann wird
der Bärentöter sehen, ob seine Farbe weiß oder rot ist.» Ohne
die Hand zum Gruß zu erheben, ritt er davon. Martin sagte
nachdenklich: «Ich glaube, Du hast ihm Unrecht getan, Vater.»
Doch Vater Baumann drehte sich wortlos um und ging ins
Haus. Martin wollte ihm eben folgen, als er einen Mann auf
die Farm zukommen sah. Er hielt seinen Vater zurück und
machte ihn auf den Ankömmling aufmerksam. Dieser trug eine
lange schwarze Predigerkutte. Als er Vater Baumann und
Martin begrüßt hatte, erzählte er ihnen, er habe den Überfall
auf die Farm mitangesehen. Schoschonen - Indianer hätten
ihn verübt. Während er redete, blickte ihm Martin scharf ins
Gesicht. Was er sah, gefiel ihm nicht. Die Augen des Predigers
wichen den seinen aus, Kurz angebunden fragte er ihn
nach namen und Reiseziel. Der Prediger antwortete in
salbungsvollem Ton: «Mein name ist Tobias Preisegott Burton.
Ich bin Missionar und möchte mich hier ein wenig ausruhen,
bevor ich den Llano durchquere.» Martin glaubte ihm nicht
recht und fragte weiter: «Durch den Llano Estacado wollt Ihr?
Wo habt Ihr Euer Pferd?» Der Missionar antwortete, er reise
zu Fuß, noch nie sei er auf einem Pferd gesessen. Da packte
ihn Martin, drehte ihn blitzgeschwind herum und fragte scharf:
«Wovon ist denn Eure Hose so blank gewetzt, wenn Ihr noch
nie geritten seid?» Der Prediger fuhr zusammen, hatte aber
schnell die Ausrede parat, die Hose habe er geschenkt
erhalten. Martin wollte weiter fragen, aber sein Vater befahl
ihm, den Gast ins Haus zu führen. Da glitt ein verschlagenes
Lächeln über Burtons Gesicht. Er hatte erreicht, was er
wollte.
Die Llano-Geier hatten ihr Hauptquartier in einem verlassenen,
halb verfallenen Goldgräberdorf im früheren Wirtshaus
aufgeschlagen. Sie planten einen großen Überfall und hatten
sich deshalb alle zusammengetan. Es war schon Nacht und
der Anführer Preston wartete ungeduldig auf die letzten fünf
Geier, die von ihrem heutigen Streifzug noch nicht zurück
waren. Endlich ritten zwei von den drei Weißen, die den
Indianern entkommen waren, in scharfem Galopp auf das
erleuchtete Wirtshaus zu. Vor der Türe sprangen sie von den
Pferden und verschwanden im Haus. Preston empfing sie mit
der scharfen Frage: «Wo kommt Ihr her? Wo sind die
andern?» Da berichteten die beiden über ihren heutigen
Raubzug: «Wir sahen die Baumanns wegreiten und dachten,
jetzt könnten wir ohne Gefahr die Farm ausrauben. Aber wir
hatten Pech. Die Frau und das Kind schrien so laut, daß wir
sie endgültig zum Schweigen bringen mußten. Als wir anfingen, nach Baumanns Gold zu suchen, kamen Indianer. Wir zündeten noch die Farm an, bevor wir uns davonmachten.
Die Indianer verfolgten uns und dabei hat es Pinky und
Ernesto erwischt. Weller verschwand auf dem Heimweg.»
Preston brüllte die beiden an: «Ihr wißt was wir planen, und
jetzt hetzt Ihr uns die Soldaten auf den Hals! Idioten!» Und
schon hatte er die Pistole gezogen. «Leute, die mir nicht
gehorchen, kann ich nicht brauchen», herrschte er und erschoß die beiden. Dann befahl er: «Stewart, Du fängst mit vier Mann die Diamantenhändler ab, bevor sie zu Baumanns
Farm kommen. Milton, Du achtest mit ein paar Mann darauf,
daß die Indianer nicht mit Baumann in Verbindung treten und
daß kein Bote nach der Stadt durchkommt.» Alle übrigen
wies er an: «Ihr fangt Weller, aber ich muß ihn lebendig
haben.»
Annie, die Tochter eines reichen Diamantenhändlers, kam mit
ihrem Begleiter Old Wabble langsam am Rande des Llano
entlang geritten. Ihr Vater war schon in Arizona, und Annie
sollte ihm Geld bringen. Sorglos ritten die beiden dahin.
Plötzlich erschreckte sie der Schrei eines wilden Truthahns.
«Pst - Indianer», flüsterte Old Wabble. Regungslos blieben
sie stehen. Da trat Old Surehand, der den Vogelruf nachgeahmt hatte, aus seinem Versteck hervor.
Old Wabble begrüßte ihn herzlich und stelle ihm Annie vor. In diesem Augenblick hörten sie Schüsse
und Pferdegetrappel. Sie Versteckten sich in einer Mulde und sahen gleich darauf zwei Indianer
in voller Flucht auftauchen. Sie wurden von fünf Geiern verfolgt, die wild auf die Indianer schossen.
Plötzlich stürzte der ältere tödlich getroffen vom Pferd. Der jüngere raste noch ein
Stück weiter, stürzte aber auch und rollte im Fallen hinter
einen Busch, wo er reglos liegenblieb. Old Surehand jagte die
Geier mit einigen gutgezielten Schüssen in die Flucht. Er
beugte sich schon über den toten Indianer, als ihn ein Schrei
Annies hochfahren ließ. Die Flinte hatte er schon wieder im
Anschlag. Aber sowie er den Indianer auf dem schwarzen
Pferd den Hügel herunterreiten sah, ließ er lächelnd das Gewehr sinken, hob die Hand und rief winkend «Winnetou!»
Bald sprang Winnetou vom Pferd und begrüßte seine Freunde
Old Surehand und Old Wabble und fragte sie nach ihrem
Reiseziel. Von Old Wabble erfuhr er, daß dieser mit Annie
einen Tag auf Baumanns Farm rasten wolle vor der Reise
durch den Llano Estacado. Da erzählte Winnetou von dem
Unglück, das über Baumanns hereingebrochen war. Sofort
entschloß sich Old Surehand, Old Wabble und Annie zu seinem Freund Baumann zu begleiten. Danach wies er auf den
toten Indianer und fragte: «Kennt Winnetou den namen seines toten Bruders?» Winnetou antwortete ernst: «Es ist Oitka-Peteh, der Häuptling der Schoschonen.» Nun ging Old Surehand auf den Busch zu, hinter den der junge Indianer gerollt war, und sagte freundlich: «Komm hervor, roter Bruder, wir
sind Deine Freunde.» Der Indianer gehorchte. Es war Wokadeh, der Sohn Oitka-Petehs. Winnetou fragte ihn, wer seinen
Vater getötet habe. Wokadeh antwortete: «Es waren Llano-
Geier, sie wollten uns töten, weil unsere Augen zuviel gesehen haben.» Old Surehand, Old Wabble und Annie machten
sich nun auf den Weg nach Baumanns Farm. Winnetou und
Wokadeh blieben bei dem toten Häuptling zurück.
Hinter einer Wegbiegung am Eingang einer Schlucht lauerte
Stewart mit seinen vier Geiern den Diamantenhändlern auf.
Als diese endlich auftauchten, versperrten sie ihnen den Weg.
Der Anführer der Händler, Richter Leader, verhandelte mit
den Geiern, die sehr freundlich taten. Stewart gab sich und
seine Kumpane ebenfalls als Diamantenhändler aus, die auf
dem Weg durch den Llano waren. Er erklärte Leader, der Weg
nach Baumanns Farm sei ein großer Umweg. Schließlich überredete er ihn, sich ihm und seinen Leuten anzuschließen. Sie seien im Llano gut bekannt, und elf Gewehre böten mehr
Sicherheit als sechs. Die Geier brachen auf, Leader und
seine Männer folgten ihnen. Mit einem höhnischen Grinsen
ritt Stewart voran. Sein Auftrag war ausgeführt.
Seit dem Unglück kümmerte sich Vater Baumann kaum mehr
um seine Farm. Er saß meist grübelnd in seinem Sessel.
Martin mußte den Wiederaufbau der zerstörten Gebäude
leiten. Er stand gerade auf dem Scheunendach, als Old Surehand, Old Wabble und Annie ankamen.
Er kletterte eilig herunter und begrüßte die Besucher. Dann ging er mit ihnen ins
Haus zu seinem Vater. Dieser antwortet nicht auf Old Surehands Beileidsworte. Martin flüsterte dem Freund zu: «Er kann noch nicht darüber reden.» Der Prediger saß am Tisch
und las eifrig in seinem Gebetbuch. Jetzt deutete Martin auf
ihn und sagte zu Old Surehand: «Der Priester sagt, es waren
Indianer, er habe sie gesehen. Vater glaubt es ihm.»
In diesem Moment hielten zwei Indianer vor dem Hoftor. Der
eine führte ein Pferd mit einem Toten am Zügel. Vater Baumann riß sein Gewehr an sich und knirschte: «Kein Roter verläßt lebend meine Farm!» Damit drängte er sich an Old Surehand vorbei. Doch dieser hielt ihn fest mit den Worten: «Diese beiden - ja, es sind Winnetou und Wokadeh, sie kommen in
friedlicher Absicht.» Als Baumann nicht auf ihn hörte, riß ihm
Old Surehand rasch entschlossen das Gewehr aus der Hand.
Alle gingen nun hinaus zu den Indianern. Der Priester stand
leise auf und schlich ans Fenster.
Allen voran ging Baumann auf Winnetou zu. Dieser wies auf
den jungen Indianer und sagte ruhig: «Sprich, Wokadeh.»
Wokadeh erzählte: «Toter Häuptling und Wokadeh haben die
Mörder gesehen, es waren Geier. Wir haben sie verfolgt,
dabei wurde der Häuptling getötet.» Doch Baumann schrie
wütend: «Ich glaube Dir kein Wort! Ein frommer Prediger hat
gesehen, daß die Mörder Indianer waren.» Damit spuckte er
Wokadeh vor die Füße. Bei dieser unerhörten Beleidigung
erbleichte Wokadeh und sagte zu Winnetou: «Das Bleichgesicht hat den toten Häuptling beleidigt. Wokadeh darf das nie vergessen.» Damit ritt er davon. Winnetou wandte sich an
Old Surehand: «Wache über unsern Freund, den Bärentöter.
Die Schoschonen werden die Ehre ihres toten Häuptlings an
ihm rächen.» Dann wendete Winnetou sein Pferd und ritt
Wokadeh nach. Der Priester hatte vom Fenster aus alles
genau erlauscht. Aber als die Männer ins Zimmer traten, saß
er wieder lesend an seinem Platz. Alle setzten sich nun um
den Tisch. Old Wabble erzählte lachend, Annie trage das
viele Geld für ihren Vater stets unter dem Kleid um den Leib
gebunden. Da glitzerte es in den Augen des Priesters, aber er
sagte demütig: «Dann solltet Ihr sie mir anvertrauen. Ich
habe den Auftrag, einige Siedlerfamilien nach Arizona zu
führen. Ich soll sie am Whiteshaver River treffen. Da könnte
ich Miss Annie gut mitnehmen.» Old Surehand betrachtete
den Priester mißtrauisch und fragte ihn dann nach seinem
namen. Als er ihn gehört hatte, sagte er langsam: «Merkwürdig,
wenn Ihr rotes Haar hättet, würde ich sagen, Ihr seid
der Pferdedieb Stealing Fox. Aber der wurde ja erwischt und
gehängt.» Der Priester antwortete nicht.
Annie hatte sich in ihrem Zimmer umgezogen. Dabei hatte sie
das Geld, weil das Kleid nicht darüber zuging, unter der
Matratze versteckt. Als sie wieder die Treppe herunter kam,
sah sie draußen gerade einen Offizier vom Pferd steigen.
Die Männer begrüßten ihn und Annie hörte ihn sagen, er habe
vom Gouverneur den Befehl erhalten, mit seinen Soldaten
den Llano von den Geiern zu säubern. Colonel Olmers habe
ihn außerdem beauftragt, die Siedlerfamilien durch den Llano
zu begleiten. Seine Soldaten seien jetzt schon am Whiteshaver River.
Da trat auch der Priester herbei und sagte fromm:
«Welch ein Glück! Der Herr läßt die Seinen nicht im Stich.»
Dabei zwinkerte er dem Offizier heimlich zu. Alle kamen jetzt
ins Zimmer zurück und setzten sich um den Tisch. Der Offizier
wußte es geschickt so einzurichten, daß er neben den Priester
zu sitzen kam. Annie nahm neben dem Kamin Platz. Martin
holte ihr etwas zu essen, und Old Wabble schenkte den
Männern Wein ein. Da sah Annie, wie der Offizier vorsichtig
um sich blickte. Als er sicher war, daß niemand auf ihn
achtete, holte er aus seinem Stiefelschaft einen gefalteten
Zettel, den er dem Priester zusteckte. Dieser legte ihn in sein
aufgeschlagenes Gebetbuch, las ihn und blätterte dann die
Seite um. Annie hatte alles beobachtet. Nun wandte sie sich
an den Offizier und erkundigte sich bei ihm nach den Kindern
von Colonel Olmers, die vor ihrer Abreise gerade krank gewesen seien.
Der Offizier versicherte ihr, nun seien die Kinder
gesund, er habe sie noch gestern gesehen. Als Martin Annie
ein Glas Wein brachte, erklärte sie ihm, der Offizier sei ein
Schwindler. Sie kenne den Colonel Olmers gut, er sei ihr
Pate, er habe keine Kinder. Martin berichtete dies sofort den
andern. Es entbrannte ein heftiger Streit zwischen dem Offizier und Martin. Nun zog Old Surehand dem Offizier den
Revolver aus der Halfter, betrachtete ihn lange und sagte
dann: «Ihr seid nicht nur ein Lügner, sondern auch ein Mörder.
Diese Waffe gehörte meinem Freund William Bond, seht nur
die Buchstaben W. B. auf dem Lauf. William Bond ist vor ein
paar Monaten im Llano verschwunden. Ihr habt ihn umgebracht.» Nun sah der falsche Offizier, daß er verloren war. .
Er zog einen zweiten Revolver und legte auf Old Surehand an.
Doch dieser war schneller und schoß den Mörder nieder. In
der Stille nach dem Schuß hörte man sich entfernenden Hufschlag. Der Priester floh, tief über den Hals eines gestohlenen Pferdes gebeugt. Sein Gebetbuch hatte er liegen gelassen.
Annie nahm den Zettel heraus und gab ihn Old Surehand.
Dieser las vor: «Ich habe den Auftrag, mit den Siedlern zu
reiten. Du sollst Dich beim Chef melden.» Nach einer Pause
erklärte Old Surehand: «Auch Euer frommer Priester gehört
zu den Geiern, und der soll die Siedler durch den Llano
führen!» - «Wir müssen ihnen zu Hilfe!», rief Baumann. Martin
und Old Wabble stimmten bei und Old Surehand traf schon
Anordnungen für den langen Ritt.
Der als Priester verkleidete Geier Weller ritt schnurstracks
ins Goldgräberdorf. Er wurde von Preston, dem Chef der
Geier, mit den wütenden Worten empfangen: «Am liebsten
würde ich Dich umlegen wie Fred und Jo, aber ich brauche
Dich noch. Wo ist Gordon? Antworte!» Angstbebend brachte
Weller hervor: «Old Surehand hat ihn umgelegt.» - «So, der
ist also auch da», nickte Preston. Nun bekam Weller den
Befehl, sofort zu den Siedlern am Whiteshaver River zu reiten.
Und dann setzte ihm Preston genau auseinander, wie er mit
Hilfe des Geiers Stewart die Siedler in die Irre leiten und den
Geiern in die Hände führen sollte. Bevor Weller ging, erzählte
er Preston noch von Annie und dem Geld, das sie immer bei
sich trug. Diese Nachricht schien Preston zu interessieren.
Aber er sagte nichts. Er winkte nur die Geier Bloomfield und
Jackie zu sich.
Am nächsten Morgen brachen Old Surehand, Old Wabble
und Baumann mit zwei Knechten in aller Frühe nach dem
Whiteshaver River auf, um die Siedler zu warnen. Martin blieb
zu Annies Schutz auf der Farm zurück. Von einer Anhöhe aus
beobachteten die Geier Bloomfield und Jackie den Aufbruch
der Reiter. Danach näherten sie sich unbemerkt der Farm.
Als Annie allein im Hof war, galoppierten sie heran, und
Bloomfield riß sie vor sich auf sein Pferd hinauf. Das Mädchen
wehrte sich verzweifelt und schrie gellend um Hilfe.
Doch der Geier hielt sie mit eisernem Griff fest und sprengte
mit ihr davon. Annies Geschrei hatte Martin herbeigerufen,
doch er konnte nicht mehr helfen. Da sah er, wie sich der
Schimmel des falschen Offiziers losriß und den beiden Geiern
folgte. Rasch entschlossen warf er sich auf das nächste Pferd
und verfolgte den Schimmel.
Nach einem wilden Ritt langten die Geier mit Annie im Goldgräberdorf an. Sie brachten sie zu Preston, der sie in ein Zimmer führte. Dort fragte er sie nach dem Geld. Aber Annie
zeigte sich unerschrocken. Sie riß Jackie den Revolver aus
dem Halfter und schoß Bloomfield den Hut vom Kopfe. Die
Geier waren so überrascht, daß sie sich zurückzogen. Schnell
verriegelte Annie die Tür. Jackie und Bloomfield gingen jeder
ein Faß Pulver aus dem Lager holen.
Unterdessen war der Schimmel angekommen und hatte sich
zu den Pferden der Geier gesellt. Martin war ihm gefolgt und
trat eben ins Wirtshaus ein, als Jackie und Bloomfield gegangen waren. Er gab sich als Pferdedieb aus, und
bald verloren die Geier ihr Mißtrauen. Sie setzten sich zum Trinken
und Spielen mit ihm an einen Tisch. Martin beobachtete
ständig das Lokal, und als Annie kurz zu ihrer Türe herausguckte, blinzelte er ihr verstohlen zu. Das Spiel ging weiter, und Martin strich gerade einen ordentlichen Gewinn ein. Da
kam Bloomfield mit einem Pulverfaß herein. Er erkannte
Martin gleich und nannte den Geiern dessen wirklichen
namen. Nun entstand eine wilde Schlägerei. Martin wurde zu
Boden geschlagen. «Hängt ihn an den nächsten Baum!»,
befahl Preston. Die Geier ergriffen Martin. Da ging die Tür
auf und der Geier Stewart kam herein, gefolgt von Richter
Leader und seinen Männern. Leader sah die Spuren der
Schlägerei und fragte nach deren Ursache. Da erklärte Preston, Martin sei ein Geier und Pferdedieb. Er habe ihnen
gestohlene Pferde verkaufen wollen. Als ehrliche Leute hätten
sie ihn festgenommen und wollten ihn nun hängen. Leader
meinte: «Gut, jeder Pferdedieb wird gehängt.»
Im Eifer des Redens und Erklärens hatte niemand bemerkt,
daß im Dach über ihnen einige Ziegel abgehoben wurden.
Niemand sah den Lauf von Winnetous Silberbüchse, der sich
langsam durch die Lücke schob. Winnetou hatte das Goldgräberdorf schon lange beobachtet. Jetzt saß er auf dem
Hausdach, um Martin und Annie zu helfen. In dem Augenblicke als Leader erklärte, Martin müsse gehängt werden,
gab Winnetou einen Schuß auf das Pulverfaß ab. Dieses
explodierte, und eine Stichflamme schoß hoch. Rauch verdunkelte den Raum. Ein unbeschreibliches Durcheinander
entstand. Das benützte Martin. Mit zwei Sätzen hatte er
Annies Tür erreicht. Ein paar Geier, die ihn verfolgten, warf
er die Treppe hinunter und stürzte in Annies Zimmer. Er
packte das Mädchen und klettere mit ihm aus dem Fenster.
Unten verscheuchte Winnetou mit einem Schuß die Pferde
der Geier. Danach rief er Martin an und zeigte ihm die Stelle,
wo sein Iltschi und zwei andere Pferde standen. Während
sich Martin und Annie über das Dach tasteten, kamen unten
die rauchgeschwärzten Geier aus Türen getorkelt und aus
Fenstern gekrochen. Winnetou hielt sie mit einigen Schüssen
in Schach. Jetzt sprangen Annie und Martin vom Dachrand
auf die Rücken ihrer Pferde hinunter. Auch Winnetou bestieg
sein Pferd, und die drei jagten davon. Wütend schossen die
Geier ihnen nach. Da riß Winnetou sein Pferd herum und gab
einen Schuß auf das vor dem Hause liegende Pulverfaß
Jackies ab. Das Pulver explodierte, die Veranda stürzte ein,
Feuer loderte. Die Geier hatten genug damit zu tun, sich in
Sicherheit zu bringen. Winnetou, Annie und Martin entkamen.
Als sie weit genug vom Goldgräberdorf entfernt waren, hielt
Winnetou an und sagte zu Martin: «Ich muß Euch jetzt verlassen. Versuche Deinen Vater zu erreichen und warne ihn.
Die Schoschonen fordern sein Leben, aber ich werde alles
tun, um den Frieden zu retten.» Danach hob er die Hand zum
Gruß und ritt davon.
Old Surehand, Baumann und ihre Begleiter waren auf ihrem
Weg zum Whiteshaver River bis zum Roten Bach gekommen.
Dort hielt Old Surehand plötzlich an und sagte leise: «Indianer sind in der Nähe. Ich werde mich nach ihnen umsehen.
Niemand von Euch verläßt diesen Platz, bis ich zurück bin.
Haltet die Gewehre bereit.» Schon verschwand Old Surehand
im Wald. Die andern stiegen ab und zogen die Gewehre
heraus. Old Surehand folgte dem Ruf eines Hähers immer
tiefer in den Wald hinein. Plötzlich sprang ihn aus dem Hinterhalt ein Indianer an.
Doch Old Surehand behielt die Oberhand und nach einem kurzen, heftigen Kampf nahm er dem
besiegten Indianer das Messer ab. Gleichzeitig griffen etwa
zwanzig Schoschonen Baumann und die andern an. Bevor
diese auch nur einen Schuß abgeben konnten, rissen ihnen
die Indianer die Gewehre aus den Händen, schlugen Baumann zu Boden, fesselten ihn und warfen ihn auf ein Pferd.
Als Old Surehand zurückkam, sah er nur noch die Staubwolke
hinter den davonreitenden Schoschonen. Old Surehand ließ
sich von Old Wabble alles erklären und sagte dann ernst:
«Wir müssen Baumann befreien, sonst ist er morgen tot. Die
Schoschonen wollen sich an ihm rächen, weil er ihren toten
Häuptling beleidigt hat.» Sofort machten sie sich auf und
folgten eilig den Spuren der Schoschonen. Hinter einem
hohen Felsen hielten sie an, um das Lager der Indianer zu
beobachten.
Lange vor ihnen war Winnetou bei den Schoschonen angekommen und hatte auf Wokadeh gewartet. Er hatte gesehen,
wie die Krieger den gefesselten Baumann ins Lager gebracht
hatten. Von Wokadeh hatte er erfahren, daß Baumanns
Freunde bald da sein müßten, und daß sie dann von den
Pfeilen der Krieger empfangen würden. Nun wollte er wegreiten, um Old Surehand zu warnen. Old Surehand befahl den
andern, sich nicht von der Stelle zu rühren, bis er wiederkomme. Dann verschwand er im Wald.
Bald traf er mit Winnetou zusammen und bat ihn, ihm bei Baumanns Befreiung zu
helfen. Winnetou antwortete: «In der Stunde des hellen
Sternes hält Wokadeh selbst die Totenwache. Dann muß Old
Surehand handeln.» Als die Stunde des hellen Sternes anbrach, übernahm Wokadeh die Totenwache. Unbeweglich saß
er vor dem toten Häuptling, ohne den gefesselten Baumann
zu beachten. Dieser bemerkte bald, wie die Zeltwand aufgeschlitzt
wurde und Old Surehand hereinkroch. Lautlos näherte
sich der Befreier Wokadeh, schlug ihn mit bloßer Hand bewußtlos und schleppte ihn aus dem Zelt.
Er brachte den Bewußtlosen zu Winnetou und lehnte ihn gegen einen Baum.
Als Wokadeh die Augen aufschlug, sah er Winnetou und rief:
«Was tut der Häuptling der Apatschen hier? Er liebt die
Bleichgesichter mehr als seine roten Brüder!» Winnetou antwortete: «Nein, er liebt die Gerechtigkeit. Old Surehand will
mit dem Rat der alten verhandeln. Wokadeh soll ihn führen
als seinen Gast.» Old Surehand löste Wokadehs Fesseln.
Dieser stand auf und sagte: «Das Bleichgesicht sei mein
Gast.» Dann ging er voran ins Lager zurück.
Vor dem Rat der alten erklärte Old Surehand, er sei auf der
Jagd nach dem Mörder des Häuptlings, ob die Schoschonen
ihm nicht dabei helfen wollten. Doch, erklärten die Indianer,
aber zuerst müsse der Bärentöter sterben. «Verschiebt eure
Rache», bat Old Surehand. Aber die Indianer waren mißtrauisch.
Während Old Surehand mit Winnetous Hilfe weiter mit dem
Rat der alten verhandelte, hatten sich Old Wabble und die
beiden Knechte ans Häuptlingszelt geschlichen. Schoschonenkrieger hatten sie beobachtet und fielen nun mit lautem
Geschrei über sie her, fesselten sie und führten sie vor den
Rat der alten. Wokadeh sagte voll Verachtung zu Old Surehand: «Während das Bleichgesicht im Rat der Krieger für den
Frieden spricht, tragen seine Brüder den Krieg ins Lager.
Die Zunge des weißen Mannes ist gespalten wie die der
Schlange.» Zu Winnetou sagte er barsch: «Der Häuptling der
Apatschen ist nicht mehr unser Bruder. Seine Zunge ist falsch
wie die der Bleichgesichter.» Da nahm Old Surehand seine
Büchse von der Schulter, überreichte sie Wokadeh und
sprach: «Wokadeh soll entscheiden, was jetzt geschehen soll.
Ich gebe mein Leben in seine Hand.» Wokadeh schwieg verblüfft. Dann sagte er: «Manitou soll entscheiden, ob Du die
Wahrheit sprichst. Die drei besten Schützen des Stammes
werden jeder einen Pfeil auf Dich abschießen: Du wirst gebunden und hast nur Deine Arme frei für Dein Gewehr.
Keinen meiner Schützen darfst Du töten oder verletzen. Gelingt
es Dir so, Dich der Pfeile zu erwehren, bist Du frei.» Sogleich
wurden Old Surehand, Old Wabble und die Knechte jeder an
einen Pfahl gefesselt. Gegenüber stellten sich die drei Pfeilschützen auf. Jetzt gab Wokadeh das Zeichen zum Beginn.
Der erste Schütze spannte den Bogen und schoß. Im gleichen
Moment drückte Old Surehand sein Gewehr ab, und der Pfeil
zersplitterte in der Luft. Der zweite Schütze zielte genau auf
Old Surehands Herz. Dieser sah es, beugte blitzschnell den
Oberkörper zur Seite, und haarscharf an seinen Rippen vorbei
fuhr der Pfeil in den Pfahl, wo er federnd stecken blieb. Old
Surehand brach den Pfeil ab und warf ihn weg. Der dritte
Schütze spannte den Bogen. Old Surehand zielte, und bevor
der Pfeil vom Bogen schnellte, schoß er. Die Bogensehne
zersprang, und der Pfeil fiel zu Boden. Da trat Wokadeh
herzu und sagte laut: «Manitou hat gesprochen, Old Surehand
hat nicht gelogen, er ist frei.» Dann befreite er ihn eigenhändig von den Fesseln. Old Surehand trat zu Winnetou und
bat ihn, Baumann, Old Wabble und den Knechten zu helfen.»
«Ich muß zu den Siedlern», schloß er, bestieg sein Pferd und
galoppierte davon.
Old Surehand hatte recht, in höchster Eile zu den Siedlern
zu reiten. Die Zeit drängte, das Unheil war nahe. Der Geier
Weller, immer noch in der Verkleidung und unter dem namen
des frommen Priesters Burton, war bei den Siedlern angekommen. Auch die Geier Stewart, Rod und Bill waren mit
Richter Leader und seinen Begleitern eingetroffen. Alles war
bereit, die Siedler in die Irre zu führen und dann auszurauben.
Der Anführer Preston war mit der ganzer Geierbande unterwegs zum Murdering-Pool, das heißt Mörderloch. Dort sollte
der Überfall stattfinden. Auf ihrem Wege dorthin hatten sie
das Tal des Todes zu durchqueren, wo die Schoschonenkrieger ihre toten Häuptlinge ständig bewachten. Bevor sie
in das Tal des Todes ritten, gab Preston den Befehl, nicht
anzuhalten und jeden Indianer, der sich zeige, abzuknallen.
Dann sprengten die Geier, dichte Staubwolken aufwirbelnd,
in das heilige Tal der Schoschonen. Die Pfeile der Wächter
und Krieger richteten unter den Geiern keinen großen Schaden an. Aber die meisten Indianer wurden von den Kugeln
der Geier getötet. Ungehindert verschwanden die Geier
wieder aus dem Tal des Todes.
Martin und Annie hatten inzwischen die Siedler auch erreicht.
Bei einer Frau, die am Fluß ihre Wasserschläuche füllte,
hielten sie an und fragten nach dem Bärentöter und seinen
Freunden. Ein kleiner Junge wies sie zu einem der Wagen,
in dessen Schatten ein Feuer brannte. Annie wollte der Frau
noch mit den Schläuchen helfen. So ging Martin allein zwischen den Wagen durch auf das Feuer zu.
Aus sicherem Versteck beobachtete ihn der Geier Weller. Martin näherte sich
dem Feuer, erkannte Leader und die drei Geier und wollte
sich rasch zurückziehen. Doch Weller stellte sich ihm in den
Weg und spottete: «Das sind wohl nicht die Leute, die ihr
sucht!" Jetzt sprang Leader auf, erkannte Martin und rief:
«Da ist ja der Pferdedieb. Fesselt ihn, damit er nicht wieder
entkommt. Durch seine Flucht hat er sich schuldig bekannt.
Er soll hängen!» Jetzt sprangen Stewart und Rod herbei,
packten Martin, nahmen ihm die Waffen weg und fesselten
ihn. Sie schleppten Martin unter einen Baum, warfen ein Seil
über den stärksten Ast und legten die Schlinge um Martins
Hals. Rod und Stewart machten sich bereit, Martin hochzuziehen. Da fuhr wie ein Wirbelwind Annie
zwischen die Männer, stieß die beiden Geier zur Seite und entfernte blitzgeschwind die Schlinge von Martins Hals.
Rot vor Zorn, mit blitzenden Augen und erhobenen Fäusten wandte sie sich an
Leader und schrie ihn an: «Seid Ihr von Sinnen? Den wollt
Ihr hängen, und die Verbrecher laufen frei herum?» Sie zeigte
auf Martins Fesseln: «Los, macht das ab!» Dann erkannte sie
Weller, fuhr auf ihn los und schimpfte: «Sieh mal an, der
falsche Heilige ist auch da!» Und zu Leader: «Den, der nichts
getan hat, wollt Ihr aufknüpfen, aber diesen Betrüger hier,
den laßt Ihr laufen!» Atemlos hielt Annie inne. Mit einem Blick
zum Himmel sagte Weller sanft: «Ihr irrt Euch, meine Tochter,
ich kenne Euch nicht.» Aber Annie fuhr ihn an: «So, mich
kennt Ihr nicht, und Baumanns Farm wohl auch nicht, he?
Dabei liegt Euer Gebetbuch noch dort!» Weller lächelte und
griff in alle Taschen, um sein Gebetbuch hervorzuholen. Aber
er fand es nicht. «Ich muß es verloren haben,» murmelte er,
«ich gehe es suchen.» Damit entfernte er sich. Leader und alle
Umstehenden hatten den Wortwechsel interessiert verfolgt.
Zum letztenmal wandte sich Annie an den Richter: «Dieser
Priester ist ein Betrüger, und dieser hier ist Martin Baumann,
der Sohn des Bärentöters.» Unentschlossen wandte sich
Leader an die Siedler: «Was meint Ihr dazu?» Der alte Baker
sagte nach einer Pause achselzuckend: «Was soll man da
sagen? Ein Unrecht ist schnell getan, und wer tot ist, wird
nicht wieder lebendig.» Leader ordnete nun an, Martin solle
von Baker, der Priester von Stewart bewacht werden. In
Arizona wollten sie die beiden dem Gericht übergeben. Dieses solle dann entscheiden wer der Lügner sei.
Ohne sich und seinem Pferd eine Ruhepause zu gönnen, ritt
Old Surehand zum Whiteshaver River und erreichte ihn noch
vor dem Aufbruch der Siedler. Von einem versteckten Beobachtungsposten aus sah er noch, wie Martin und Baker
zusammen einen Siedlerwagen bestiegen. Kurz darauf brach
die Wagenkolonne auf. Old Surehand wartete, bis Bakers
Wagen an ihm vorüberfuhr. Ohne von jemandem bemerkt zu
werden, sprang er auf und gab sich zu erkennen. Er erklärte
Baker, Martin sei wirklich der Sohn des Bärentöters und die
Anführer der Siedler seien gefährliche Banditen aus der
Geierbande. Baker hatte schon viel von dem berühmten Old
Surehand gehört. Er glaubte ihm und versprach ihm, er könne
sich im Kampf gegen die Geier auf alle Siedler verlassen.
Nicht lange nach Old Surehand waren auch die Schoschonen
aufgebrochen. Sie wollten ihren toten Häuptling im Tal des
Todes beisetzen. Baumann, immer noch gefesselt, Old
Wabble und die beiden Knechte ohne Waffen, mußten sie
begleiten. Winnetou ritt mit. Im Tal des Todes angelangt,
sahen sie mit Schrecken, was die Geier angerichtet hatten.
Alle Gräber waren zerstört und überall lagen tote Schoschonen. Winnetou sagte zu Wokadeh: «Die dies getan haben,
sind auch die Mörder Deines Vaters.» Da wendete sich
Wokadeh zu den Gefangenen, warf ihnen ihre Gewehre zu
und zerschnitt Baumanns Fesseln. Dann gebot er: «Die alten
sollen sich um die Toten kümmern. Die jungen Krieger ziehen
in den Kampf gegen die Feinde des Stammes. Winnetou soll
uns führen!» Baumann, Old Wabble und die beiden Knechte
ritten auf dem kürzesten Weg zum Whiteshaver River. Sie
wollten den Siedlern beistehen und ihnen berichten, daß
Winnetou mit den roten Kriegern auch zu Hilfe kommen werde.
Winnetou und die Schoschonen folgten den Spuren der
Geier. Diese waren inzwischen schon fast beim Murdering-Pool angelangt.
Die Wagenkolonne der Siedler erreichte gegen Abend einen
günstigen Lagerplatz in der Nähe des Murdering-Pool. Old
Surehand wartete den Einbruch der Nacht ab. Dann überwältigte er mit Hilfe von Baker und Martin die vier Geier,
fesselte sie und versteckte sie auf Bakers Wagen. Weller
führte er dann auf eine Anhöhe, von welcher aus das Lager
der Geier überblickt werden konnte. Dort drückte er ihm den
Gewehrlauf in die Seite und befahl: «Du gehst jetzt zu Deinem
Chef und sagst ihm, der Überfall könne im Morgengrauen
stattfinden. Geh nicht näher als 30 Schritt ans Lager und rede
so, daß ich alles höre. Ein falsches Wort, und Du bist ein toter
Mann. Du weißt, ich habe noch nie ein Ziel verfehlt.» Zitternd
machte sich Weller daraufhin auf den Weg. Die Angst saß ihm
im Nacken und er hielt sich genau an Old Surehands Befehl.
Als er seinen Auftrag ausgerichtet hatte, rannte er so schnell
ihn seine Beine trugen, zu Old Surehand zurück.
Im Morgengrauen versammelte Leader alle Siedler und erklärte ihnen, sie seien in großer Gefahr, ihre Anführer seien
Llano-Geier, die sie in einen Hinterhalt locken wollten. Doch
die Siedler verlangten Beweise. Da führte Old Surehand die
gefesselten Geier heran. Er hieß Weller vortreten und drohte
ihm, auf Stewart zeigend: «Weller, wer ist dieser Mann? Ich
zähle bis drei, dann schieße ich, aber diesmal wirklich!» Er
begann: «Eins - zwei -» Da schrie Weller auf: «Nicht schießen, ich sage alles! Wir sind Geier. Unser Chef liegt mit der
Bande im Hinterhalt, sie werden Euch überfallen!» Da drängten die Siedler auf die Gefangenen ein. Einige schrien:
«Sofort aufhängen.» Doch Old Surehand beruhigte sie: «Das hat
Zeit. Wir müssen uns auf den Überfall vorbereiten.»
Nun gab Leader das Zeichen zur Abfahrt. Die Geier sollten
denken, die Siedler seien ahnungslos. Martin lenkte den
ersten Wagen, die andern folgten in langer Reihe. Vom Weißen Felsen aus beobachtete Preston den Zug, der sich immer
mehr dem Murdering-Pool näherte. Old Surehand erwartete
nun jeden Augenblick den Angriff der Geier. Er befahl, so
schnell wie möglich eine Wagenburg zu bauen. Sogleich begannen die Wagen im Kreis aufzufahren und dabei immer
dichter aufzuschließen. Als sie einer dicht hinter dem andern
standen, hielten sie an. Gerade als sich die Wagenburg
schloß, kamen Baumann und seine Begleiter an. Freudig
wurden sie von Old Surehand und Leader begrüßt. Baumann
richtete den beiden Winnetous Botschaft aus und machte
sich daran, die Burg verstärken zu helfen.
Kopfschüttelnd verfolgte Preston die Vorgänge am Murdering-Pool. Er konnte sich nicht erklären, was er sah. Zornig
befahl er: «Los, wir müssen angreifen, bevor sie die Wagenburg fertig haben!» Das ließen sich die Geier nicht zweimal
sagen. Im gestreckten Galopp sprengten sie über die Ebene
auf die Wagenburg zu und eröffneten das Feuer. Ein wilder
Kampf begann. Die Siedler verteidigten sich verbissen. Aber
alles schien umsonst zu sein. Die Munition ging ihnen aus.
Einige Geier drangen in die Burg ein und wurden mit Gewehrkolben und Fäusten empfangen. Bloomfields Leute warfen
Fackeln auf die Wagen. Viele brannten, auch der erste, in
dem die gefesselten Geier lagen. Stewart machte sich das
Feuer zunutze und brannte sich die Fesseln durch. Die andern
taten es ihm nach. Sie sprangen aus dem Wagen. Rod wurde
von einem Siedler niedergeschlagen. Der feige Weller versteckte sich eilig unter einem Wagen. Stewart warf sich auf
ein Pferd und setzte über eine Wagendeichsel hinweg ins
Freie. Der Kampf wogte weiter. Bald drangen die Geier, fortwährend feuernd, überall in die Wagenburg ein. Die Siedler
schienen verloren. Richter Leader wurde in die Brust getroffen. Er wankte auf Old Surehand zu. Mit schwerer Zunge
sagte er: «Winnetou hat Hilfe versprochen - er ist nicht gekommen - wir sind verloren - ich bin schuld - habe mich von
den Geiern überlisten lassen -» Dann sank er sterbend zu
Boden. Old Surehand bettete ihn auf einen leeren Sack.
Weiter ging der hoffnungslose Kampf. Die Siedler hatten
längst keine Munition mehr, sie kämpften nur noch mit Kolben
und Fäusten. Da hörten sie von weitem, lauter als die Schüsse
der Geier, das gellende Kriegsgeschrei der Schoschonen.
Erleichtert atmeten sie auf. Die Rettung war nahe.
Die Schoschonen brausten in gestrecktem Galopp den Hügel
herunter. Winnetou und hinter ihm Wokadeh führten die Schar
an. Überrumpelt von der großen Zahl der Indianer ließen die
Geier von den Siedlern ab. Sie wußten, daß sie im Kampf mit
den roten Kriegern unterliegen mußten. Sie hatten ihren
Häuptling getötet und das Tal des Todes verwüstet. Die
Schoschonen waren von Rachedurst erfüllt. Ohne langes Besinnen gab Preston das Zeichen zur Flucht.
Die Geier warfen sich auf die nächststehenden Pferde und flohen in der
Richtung des Goldgräberdorfes. Aber ein Teil der Schoschonen machte sich sogleich an ihre Verfolgung. Weller kroch
aus seinem Versteck hervor, stahl ebenfalls ein Pferd und
floh gegen das Felsengebirge. Martin sah ihn und setzte ihm
nach. Er wußte nicht, daß auch Preston und einige andere
Geier diese Richtung eingeschlagen hatten. Als Winnetou,
Wokadeh und die restlichen Schoschonen die Siedler erreichten, war auch der letzte Geier schon verschwunden.
Aber die Toten, die Verwundeten und die rauchenden Wagentrümmer zeugten von dem grausamen Kampf, der hier
stattgefunden hatte. Old Surehand reichte Winnetou die Hand
und sprach im namen aller Siedler: «Wir danken Euch. Das
war wirklich Hilfe im letzten Augenblick.»
Im Felsengebirge traf Weller wieder mit Preston, Stewart und
einigen andern Geiern zusammen. Er wußte, daß Martin ihn
verfolgte. Gemeinsam lauerten sie nun dem Ahnungslosen
auf. Sie überfielen ihn von hinten und überwältigten ihn mühelos. Preston ließ die Geier den Gefangenen bewachen und
näherte sich allein der Wagenburg der Siedler. Von einem
Felskopf herunter rief er Old Surehand zu: «Wir haben Martin,
kommt allein zu uns herauf, wenn Euch sein Leben lieb ist.»
Sofort stieg Old Surehand zu Pferd. Baumann und Winnetou
sollten bei den Siedlern bleiben. Winnetou rief dem Davonreitenden nach: «Der Häuptling der Apatschen wird über
Euch wachen!» Old Surehand sah Preston, Stewart und einen
dritten Geier von weitem. Er stieg ab und ließ sein Pferd
allein laufen, um die Geier abzulenken. Er selbst näherte sich
den dreien zu Fuß von hinten. Als er nahe genug herangekommen war, rief er scharf: «Hände hoch! dann dreht Euch
langsam um, die Revolver laßt Ihr stecken!» Vollständig überrumpelt gehorchten die Geier. Doch Preston faßte sich
schnell. In einem Sekundenbruchteil riß er beide Revolver
aus dem Gurt und feuerte auf Old Surehand. Dieser stürzte
zu Boden. Höhnisch grinsend ging Preston auf ihn zu. Doch
Old Surehand stellte sich nur tot, um seinen Feind heranzulocken. Plötzlich fiel ein Schuß und Preston fiel getroffen
nieder. Old Surehand hatte blitzschnell das unter ihm liegende Gewehr abgefeuert und Preston so erschossen.
Als die Geier ihren Anführer tot daliegen sahen, ergriffen sie
Hals über Kopf die Flucht. Martin konnte entkommen. Er heftete sich Weller an die Fersen
und stellte ihn in einem Felsenkessel. Ein heftiger, stummer Kampf entbrannte. Doch Martin
war unbewaffnet, und darum konnte sich Weller in Sicherheit
bringen. Jetzt hörte Martin von unten Old Surehand seinen
namen rufen. Er gab die Suche nach Weller sofort auf und
folgte dem Ruf. Schon konnte er seinen Freund und Retter
sehen. Da stand plötzlich Weller wieder vor ihm. Er drückte
ihm den Revolver in die Seite und befahl: «Hände hoch!» Zu
Old Surehand hinunter rief Weller: «Werft Euer Gewehr weg,
sonst ist Martin ein toter Mann.» Martin rief: «Schießt ihn
doch endlich nieder, Old Surehand!» Doch dieser ließ sein
Gewehr fallen, hob die Hände hoch und rief Martin zu: «Da
ist nichts zu wollen, der macht ernst und drückt ab.» Weller
genoß seinen Sieg. «Ah, habe ich Euch endlich, meine beiden
Freunde», spottete er. «Bald werdet Ihr erfahren, was ich mit
Euch vorhabe!» Mit dem Revolver stieß er Martin immer näher
auf den Abgrund zu. Da - ein Schuß - Weller ließ den Revolver fallen, wirbelte herum und stürzte selber die Felswand
hinunter. Vor Old Surehands Füßen blieb er tot liegen. Old
Surehand blickte sich nach dem Schützen um. Auf einem
Felsgipfel hoch über dem Tal sah er Winnetou stehen. Die
Nägel der Silberbüchse glänzten noch in der Sonne. Behend
kletterte Winnetou nun über die Felswand hinunter, und bald
standen die drei Freunde beisammen.. Jetzt kam auch noch
Baumann im Felsentale an. Die Angst um seinen Sohn hatte
ihn in die Berge getrieben. Nun wandte sich Winnetou mit
ernstem Gesicht an ihn. Er wies auf den toten Weller und
sagte zu Baumann: «Ich habe Dir versprochen, den Mörder
Deiner Frau und Deines Kindes zu finden. Er liegt vor Dir.»
Er kniete neben Weller nieder und zog mit einem scharfen
Ruck die schwarzen Haare von Wellers Kopf. Es war eine
Perücke, und darunter kam kurzes, brandrotes Haar zum Vorschein. Winnetou erklärte: «Er heißt Stealing Fox, er trägt
einen falschen Skalp, damit seine Feinde ihn nicht erkennen.»
Nun zog er unter Wellers Wams einen Beutel hervor, öffnete
ihn und leerte den Inhalt in seine Hand. Schmuckstücke
glitzerten. Doch Baumann griff einen einfachen Goldreif heraus und sagte tonlos: «Ihr Ring . . .» Martin fragte: «Glaubst Du nun Winnetou, Vater?» Baumann nickte stumm. Achtlos
ließ Winnetou die übrigen Schmuckstücke zu Boden fallen
und wandte sich ab. Niemand hob sie auf.
Als Winnetou, Old Surehand, Baumann und Martin wieder bei
den Siedlern ankamen, waren diese schon zur Weiterreise
bereit. Die Spuren des Kampfes waren beseitigt, die Toten
begraben. Nur das einfache Grabkreuz und ein Haufen rauchender Wagentrümmer erinnerten noch daran. Old Surehand
wurde sogleich von den Siedlern umringt. Sie baten ihn, er
solle sie doch durch den Llano begleiten. Old Surehand war
gerne einverstanden. Da traten Annie und Martin zu der fröhlichen Gruppe. Martin sagte laut zu allen: «Freut Euch mit mir. Annie hat eingewilligt, mich zu heiraten und als Farmersfrau mit mir auf unsere Farm zu ziehen!» Laute
Hurrarufe ertönten und jeder wollte den beiden die Hände schütteln. Aber
jetzt hieß es Abschied nehmen. Alle bestiegen ihre Pferde.
Nach indianischem Brauch grüßten sie mit erhobener Hand Winnetou, Wokadeh und die Schoschonen. Baumann, Martin,
Annie und die Knechte ritten auf ihre Farm zurück. Wokadeh
kehrte mit seinen Kriegern in ihr Pueblo heim. Dann ritt Old
Surehand mit Old Wabble an die Spitze des Wagenzuges,
der sich daraufhin in Bewegung setzte. Winnetou blieb allein
zurück und schaute den Davonziehenden nach. Dann wandte
er sich ab und ritt auf seinem treuen Iltschi in die Berge
hinauf. Wieder einmal war es ihm gelungen, den Frieden zwischen Rot und Weiß zu retten.
ORIGINAL
ALLE BILDER AUS DEM CINEMASCOPE-FARBFILM NACH DEM GLEICHNAMIGEN ROMAN VON KARL MAY
"UNTER GEIERN"
COPYRIGHT ©1964
PRODUKTION: RIaltO-FILM PREBEN PHILIPSEN/ JADRAN-FILM
VERLEIH: CONSTANTIN-FILM
FILM-PLAKATE-POSTER
Plakat DIN A1 "Unter Geiern" (EA Constantin 1164)
Erscheinungsjahr | 1964 (EA 08.12.1964) |
Regie | Alfred Vohrer |
Drehbuch | Harald G. Petersson, Eberhard Keindorff, Johanna Sibelius |
Musik | Martin Böttcher |
Kamera | Karl Löb |
Film | Cinemascope (2.35:1), 35 mm, Eastman Color |
Original-Film (KINO) | 2762 m = 100 min. 57 sec. |
TV/VIDEO/DVD * | 96 min. 55 sec. |
FSK: | Ab 12 Jahren |
Bemerkungen | Goldene Leinwand (1965) |
Prädikat | "kein Prädikat" |
* | Die Differenz zur Kinofilm Laufzeit erklärt sich durch die um ein Bild pro Sekunde höhere Video Bildfrequenz. (KINO 24 Bilder/Sek.) (TV 25 Bilder/Sek.) (PAL-SYSTEM) |