DER ÖLPRINZ
ORIGINAL FILM STORY UND FILM BILDER
INHALT
INFO
FILM-STORY
FILM-PLAKATE/ POSTER
REFERENZ
INFO
DER ÖLPRINZ
Bilder aus dem UltraScope-Farbfilm nach dem gleichnamigen Roman von Karl May
Produktion: Rialto Film Preben Philipsen/ Jadran-Film
Regie: Harald Philipp
Gesamtleitung: Horst Wendlandt
Personen und ihre Darsteller:
Old Surehand . . . . . Stewart Granger
Winnetou . . . . . . . . Pierre Brice
Lizzy . . . . . . . . . . . Macha Meril
Ölprinz . . . . . . . . . . Harald Leipnitz
Richard Forsythe . . Mario Girotti
Frau Ebersbach . . . Anje Weisgerber
Campbell . . . . . . . . Walter Barnes
Kovacz . . . . . . . . . . Gerhard Frickhöffer
Duncan . . . . . . . . . . Vladimir Leib
Knife . . . . . . . . . . . . Slobodan Dimitrijevic
Butler . . . . . . . . . . . Dusan Janicijevic
Paddy . . . . . . . . . . . Davor Antolic
Bergmann . . . . . . . . Veljko Maricic
Webster . . . . . . . . . Ilija Ivezic
Billy Forner . . . . . . . Zvonimir Crnko
Jimmy . . . . . . . . . . . Petar Petrovic
John . . . . . . . . . . . . Slobodan Vedernjak
Jack . . . . . . . . . . . . . Branko Supek
Tobby . . . . . . . . . . . Marinco Cosic
Old Wabble . . . . . . . Paddy Fox
Kantor Hampel . . . . Heinz Erhardt
Verleih: Constantin-Film GmbH
Weltvertrieb: Rialto Film Preben Philipsen
Der Ölprinz war ein geschniegelter, stets eleganter Mann, dem man sein Geld von weitem ansah. Um so leben zu können, wie es ihm am besten gefiel, brauchte er aber sehr viel Geld. Dieses Geld verdiente er jedoch nicht mit ehrlicher
Arbeit, er verschaffte es sich durch betrügerische Geschäfte.
Um diese Geschäfte zu seinem größten Vorteil abwickeln zu können, scheute er vor nichts zurück, er brannte und mordete dafür. Er stellte auch Banditen ein, die ihm bei der Durchführung seiner Pläne helfen mußten. Einmal hatte er
die Ölquelle des ehrlichen Geschäftsmannes Jenkins absichtlich in Brand gesteckt, so daß Gebäude, Bohrtürme und
Maschinen restlos verbrannten. Er wollte den Besitzer damit ruinieren und ihm dann die Quelle um ein Butterbrot abkaufen. Doch Jenkins wehrte sich verzweifelt dagegen und
schwor dem Ölprinzen Rache. Um die ganze Welt werde er ihn verfolgen, wenn, es nötig sei, aber erwischen werde er ihn bestimmt. Dieser Geschäftsmann war nicht der einzige
Feind, den sich der Ölprinz geschaffen hatte, und so ist es
verständlich, daß er sich überall bedroht fühlen mußte. Er
hatte sich deshalb einen Leibwächter angestellt, der immer in
seiner Nähe war. Er trug ihm auch Sonderaufgaben auf, die er
nicht selber durchführen wollte und um die sonst niemand
wissen durfte. Dieser Leibwächter war stumm. Er konnte sich
nur durch die Zeichensprache verständlich machen, konnte
deshalb nichts verraten was er sah und tat. Sein Name war
Knife, das heißt Messer. Er trug stets ein scharfes, gefährliches Messer bei sich. Als großer Künstler im Messerwerfen verfehlte er sein Ziel auch aus großer Entfernung niemals.
Nach der Sache mit Jenkins Ölquelle hatte der Ölprinz sogleich ein neues, rentableres Geschäft mit dem Bankier
Duncan angebahnt. Um dieses Geschäft abzuwickeln, war er
mit Knife nach Tucson gereist. Aber Jenkins war ihm gefolgt -
und als sich der Ölprinz in Duncans Bank begeben wollte,
machte sich Jenkins an ihn heran. «Ich verkaufe jetzt», rief
er ihm zu, «ich muß verkaufen, aber es wird Sie teuer zu
stehen kommen!» Der Ölprinz war stehen geblieben und antwortete mit höhnischem Lächeln: «Schön, Jenkins, wir werden ja sehen.» Schnell wandte er sich ab und schlug Jenkins
die Tür vor der Nase zu. Dieser warf sich dagegen, fiel
jedoch plötzlich kraftlos in sich zusammen. Knifes Messer
steckte in seinem Rücken.
Wie wenn er von allem nichts ahnen würde, betrat der Ölprinz die Bank. Der Angestellte Kowacz empfing ihn und
führte ihn in sein Büro. Dort zeigte ihm der Ölprinz anhand einer selbstgezeichneten Karte die genaue Lage des Shelly-Sees und der ganz in dessen Nähe liegenden Ölquelle, die er Direktor Duncan verkaufen wollte. Doch Kowacz hatte
Bedenken: «Am Shelly-See werden sich die Siedler ansiedeln, deren Lager sie vom Fenster aus sehen.» Mit einem leichten Blinzeln des rechten Auges erwiderte der Ölprinz:
«Die werden nicht am Shelly-See siedeln, sondern am Prescott-See.» Aber Kowacz war immer noch nicht befriedigt.
Er erklärte: «Ohne den Nachweis, daß Ihnen das Gebiet rechtmäßig gehört, wird Mister Duncan keinen Cent für die
Quelle bezahlen.» Mit einer Handbewegung tat der Ölprinz diesen Einwand ab.
Dazu lachte er: «Die Besitzurkunde? Für ein paar Fäßchen Schnaps werde ich die von den Roten ohne weiteres erhalten. Die wissen nichts vom Wert des Öls.» Kowacz hatte noch einen Einwand: «Aber die Siedler erwarten ihren Führer, der sie zum Shelly-See bringen soll.» Kalt erwiderte der Ölprinz: «Der Führer, auf den sie warten, wird nicht kommen!» Damit verließ er die Bank, um sich im Hotel mit Direktor Duncan zu treffen. Dieser Betrug mit der Ölquelle am Shelly-See, der Ölquelle, die es gar nicht gab, würde bestimmt gelingen. Kowacz würde ihm helfen, den Direktor zu überzeugen. Er hatte ihm den Mund genug mit Geld geschmiert.
Im Schutze einer Felswand hatten Old Surehand und seine
Kameraden ihr Lager aufgeschlagen. Es war kurz vor
Tagesanbruch. Old Surehand lag in seine Decke gewickelt,
den Hut über dem Gesicht, und schlief ruhig. Neben ihm lag
der Farmersohn Bill Forner ebenfalls noch in tiefem Schlaf.
Er sollte zu den Siedlern nach Tucson reiten und sie dann
an den Shelly-See führen. Old Surehands Reisegefährte
Old Wabble hatte die Wache. Aber er lehnte schlafend an
der Felswand, das Gewehr im Arm. In der Nähe des Baches
standen die Reitpferde der drei Schläfer und ein Packpferd
angebunden und dösten ebenfalls. Alles war ruhig und friedlich. Kein Lüftchen regte sich.
Da ging auf dem gegenüberliegenden Hügel eine leise Bewegung durch das Gebüsch,
so als rege sich ein Tier oder ein Mensch darin. Indianische
Mokassins huschten an einer Lücke in den Zweigen vorüber
und blieben dann stehen. Der Indianer, der sie trug, stand
still. Behutsam bog er das Buschwerk auseinander und lugte
vorsichtig auf die Lagernden hinunter. Das dichte Blätterwerk gab nur einen Teil seines Gesichtes frei: Ein schwarzes
Auge, eine hohe Stirn, schwarz glänzendes Haar, von der
Haut einer Klapperschlange zusammengehalten.
Unbeweglich im Gebüsch versteckt stand Winnetou, der
Häuptling der Apatschen. Wie er so auf die drei Schläfer
hinunterblickte, ging ein leises, schalkhaftes Lächeln über
sein sonst fast immer ernstes Gesicht. Behutsam ließ er die
Zweige in ihre ursprüngliche Lage zurück gleiten.
Winnetous Anwesenheit war nicht fühlbarer als ein leiser
Hauch, doch das edle Reitpferd Old Surehands hatte diesen
Hauch wahrgenommen. Lauschend spielte es mit den Ohren.
Plötzlich hielt auch Old Surehand den Atem an, öffnete die
Augen zu einem schmalen Spalt und blinzelte zu Old Wabble
hinüber, der immer noch friedlich schlief. Dann wanderte
sein Blick weiter zu den Pferden und beobachtete sein eigenes, das nun
leise mit dem rechten Vorderhuf scharrte. Jetzt
richtete sich Old Surehand halb auf und weckte Old Wabble
mit dem nachgeahmten Zirpen einer Grille. Dann sagte er
zu ihm: «Entschuldige, daß ich dich geweckt habe, aber
hattest du nicht Wache?» Schuldbewußt blickte Old Wabble
um sich, bemerkte nichts Verdächtiges und rief sorglos: «Nur
keine Angst, es ist alles in Ordnung!»
Dann stand er auf und holte sein Rasierzeug aus dem Gepäck. Old Surehand tat, als schliefe er weiter: In Old Wabbles Rücken bewegten sich wieder einige Zweige, die Spitze eines Indianerpfeils erschien. Old Wabble ging mit seinem Rasierzeug zum nächsten Baum, holte eine Spiegelscherbe hervor und richtete sich auf, um sie an einem Zweig aufzuhängen. Da zischte der Indianerpfeil hart an seiner Wange vorbei in den Baum und blieb federnd stecken. Seelenruhig hängte Wabble sogleich seine Spiegelscherbe an dem Pfeil auf. Erschrocken fuhr er aber herum, als Old Surehand hinter ihn trat. Er faßte sich aber schnell und sagte: «Schlaf ruhig weiter, Winnetou scheint sich verspätet zu haben.» In diesem Moment kam Winnetou lachend den Abhang herunter auf seine Freunde zu. In der rechten Hand trug er seine Silberbüchse, die linke hielt immer noch den Bogen und den Pfeilköcher. Langsam folgte ihm sein treuer Iltschi. Auf Old Surehand zutretend fragte er fröhlich: «Stampft Winnetou wie ein Büffel, daß sein weißer Bruder ihn im Schlaf hört?» Doch Old Surehand beruhigte ihn lächelnd: «Mein Pferd hat dich gehört, es kann zwischen Freund und Feind unterscheiden.» Inzwischen war auch Bill Forner aufgestanden und hatte seine Decke schon zusammengerollt. Nun trat er zu den andern und begrüßte respektvoll den berühmten Häuptling der Apatschen. Old Surehand stellte ihn vor: «Das ist Bill Forner. Er soll die Siedler an den Shelly-See führen. Wir drei reiten voraus zu den Navajos.» Ernst sagte Winnetou: «Es wird ein hartes Handeln um den Kaufpreis geben. Die Navajos und die Comantschen verschenken nichts. Erstaunt rief Old Surehand: «Diese Siedler sind sehr arm, und die Navajos und die Comantschen sind reich!» Winnetou erwiderte nur: «Mein weißer Bruder wird kluge Worte finden müssen.» Dann bestiegen alle ihre Pferde und machten sich gemeinsam auf den Weg. Vor dem Eingang zu einer Schlucht hielt die Gruppe noch einmal kurz an. Old Surehand übergab Bill Forner einen Brief an Campbell, den Anführer der Siedler. Dann verabschiedete sich Bill von den drei andern und ritt allein weiter. Auf dem Weg durch die Schlucht wollte er nach Tucson zu den Siedlern gelangen. Winnetou, Old Surehand und Old Wabble schlugen die Richtung nach dem Dorf der Navajos ein.
In schnellem Tempo ritt Bill in die Schlucht hinein, sorglos vor sich hinpfeifend. Er sah nicht, daß hinter einem Felsen Butler, der Chef der Findersbande, hockte und mit der Hand ein Zeichen in die Schlucht hinuntergab. Drei Männer sahen das Zeichen und versteckten sich geschwind hinter Felsblöcken. Es waren der rothaarige Paddy und Chuck Webster aus der Findersbande und als dritter der Mann mit dem Namen Knife. Nun kam Butler die Schlucht heruntergeritten und winkte die drei Männer zu sich. Hart befahl er: «Also, Chuck und Paddy, schießen verboten, Winnetou und Old Surehand sind noch zu nahe, sie könnten den Schuß hören.» Den Mann mit dem Namen Knife blickte er nur an. Unbeweglich warteten nun die vier. Da wurde Hufgetrampel laut. Leise huschte jeder an den ihm von Butler angewiesenen Platz. Butler selbst rollte sorgfältig sein Lasso auf. Nun kam Bill Forner ahnungslos die Schlucht herabgaloppiert. Butlers Lasso sauste durch die Luft, die Schlinge legte sich um Bills Oberkörper; zog sich zusammen und riß Bill vom Pferd. Das Gewehr noch in der Hand, baumelte er sekundenlang am Seil. Dann schlug er den Kopf an einem Felsen auf und wurde davon betäubt.
Langsam schwang er von der Felswand zurück. Dabei löste sich ein Schuß aus seinem Gewehr.
Fast im selben Moment sauste Knifes Messer heran und
bohrte sich bis zum Heft in Bills Rücken. Sein Kopf sank
vornüber, er war tot. Schnell ließ ihn Butler am Lasso zu
Boden gleiten, sprang zu ihm hinunter und durchsuchte seine
Taschen. Er fand Old Surehands Brief, winkte Paddy herbei,
übergab ihm den Brief und sagte: «Du reitest jetzt als Bill
Forner zu den Siedlern, um sie angeblich zum Shelly-See
zu führen. Und jetzt los, verschwinde!» Sogleich galoppierte
Paddy davon. Butler und Chuck verbargen Bills Leiche unter
Gebüsch und verschwanden ebenfalls. Auch Knife war nicht
mehr zu sehen.
Winnetou, Old Surehand und Old Wabble hingen auf dem
Ritt ihren Gedanken nach. Plötzlich wurden sie durch das
Echo eines Schusses aufgeschreckt. Sofort hielten sie an.
«Das kam aus der Schlucht», sagte Winnetou und hatte
schon seinen Iltschi gewendet. Die beiden andern folgten
ihm, und in gestrecktem Galopp ritten sie auf den Eingang
der Schlucht zu. Vorsichtig ließen sie nun ihre Pferde die
Schlucht hinuntersteigen. Wachsam spähten sie um sich.
Plötzlich sprang Winnetou aus dem Sattel, deutete auf den
Boden und rief: «Hier!» Auch Old Surehand hatte die Spuren auf dem Boden
gesehen und sprang ebenfalls ab. Winnetou bückte sich zur Erde, untersuchte die Spuren und folgte
ihnen. Sie führten ihn zu der Stelle, wo die Banditen den
toten Bill Forner ausgeplündert hatten. Der Fels zeigte
dunkle Flecken. Winnetou fuhr mit der Hand darüber und
sagte zu Old Surehand: «Blut!» Old Surehand ging nun auf
ein nahes Gebüsch zu, bog die Zweige auseinander - und
sah den toten Bill Forner. Er war nicht überrascht, aber sein
Gesicht wurde hart, und seine Augen verengten sich. «Erstochen», sagte er zu Winnetou, der neben ihn getreten war.
«Warum?» fragte dieser. «Ich weiß es nicht», antwortete Old
Surehand, «aber ich werde es erfahren, und dann gnade
Gott dem Mörder». Er beugte sich nun zu Bill hinunter und
durchsuchte seine Taschen. «Der Brief ist weg!» rief er
Winnetou zu. «Ich muß zu den Siedlern, sie sind in Gefahr!»
Winnetou nickte: «Gut. - Winnetou reitet voraus zu den
Navajos. Häuptling Nitsas-Ini wird ihn zu den Comantschen
begleiten. Beim Häuptling Mokaschi treffen wir uns wieder.»
Er ging sofort zu seinem Pferd und ritt wieder die Schlucht
hinauf. Old Surehand hob den Toten auf und trug ihn zu den
Pferden, band ihn auf den Rücken des Packpferdes und ritt
dann weiter die Schlucht hinunter, das Packpferd sorgfältig
am Zügel führend. Old Wabble folgte ihm.
Auf der Straße vor dem Gasthaus (Saloon) »Stern von Tucson« herrschte reges Leben. Zwischen eiligen Bewohnern der Stadt bemerkte man Siedler, die sich die Zeit zu vertreiben suchten. Überall am Straßenrand lungerten Mitglieder der Findersbande herum, die zur Zeit die Stadt und ihre Umgebung unsicher machte. Auch im Spielzimmer des Gasthauses saßen einige von ihnen. Sie spielten Poker mit einem jungen Fremden. Argwöhnisch schauten die Banditen den Jüngling an, der eben einen Gewinn einsteckte. «Wie du das nur machst, daß du immer alle Asse hast, du spielst doch nicht etwa falsch?» fragte einer aus der Bande. «Wo denkt ihr hin», antwortete der Jüngling, «es ist mir selbst schon peinlich, daß ich immer gewinne.»
Im Eifer des Gesprächs hatte keiner gemerkt, daß die Türe aufgegangen war. Der Ölprinz war eingetreten und hatte die letzten Sätze gehört. Nachdenklich blickte er einen Moment auf den Jüngling und ging dann an den Spielern vorbei in den Roten Salon. Dort saß Bankdirektor Duncan, ein beleibter Herr, beim Mittagsmahle. Auch Kowacz war schon da. Eilfertig stand er auf, um dem Ölprinzen Hut und Stock abzunehmen. Dann wandte er sich an Duncan mit den Worten: «Darf ich Ihnen den Ölprinzen vorstellen?» Duncan stand auf und ging auf den Ölprinzen zu: «Ich brenne darauf, den Mann kennenzulernen, der mir 50 000 Dollar abknöpfen konnte, ohne daß ich einen Tropfen Öl gesehen hatte. Nun wie steht's? Verkaufen Sie mir die Ölquelle, und Sie sind ein reicher Mann!» Der Ölprinz antwortete kalt: «Die 50 000 Dollar, die Sie mir als Kaufpreis anboten, sind zwar viel Geld - aber nicht genug! Ich verlange 75 000. Das ist mein letztes Wort. Wenn Sie die Quelle gesehen haben, will ich den Scheck auf die Hand.» Duncan tat entsetzt: «Sie ruinieren mich, wo Sie das Land doch nichts gekostet hat als einige Fäßchen Schnaps für die Roten! Aber sei's drum. Wenn das Öl tüchtig sprudelt, lasse ich mich nicht lumpen. Wann reiten wir?» Ohne zu antworten ging der Ölprinz ans Fenster und sah gerade Butler, Webster und Knife von~ ihren Pferden springen. Paddy war nicht dabei. Da nickte der Ölprinz unmerklich und wandte sich wieder zu Duncan: «Morgen früh bei Tagesanbruch. Wir nehmen ein paar Leute mit zu unserem Schutz. Es treibt sich allerhand Gesindel herum.» Nachdem noch Einzelheiten für den morgigen Tag besprochen worden waren, verabschiedete sich der Ölprinz von Bankdirektor Duncan und ging in sein Zimmer, um die Vorbereitungen für die Reise zu treffen. Im Zimmer des Ölprinzen hatten es sich inzwischen die Banditen bequem gemacht. Butler lag auf dem breiten Bett; Webster hielt gerade eine Parfümflasche an den Mund, um daraus zu trinken, Knife lehnte mit ausdruckslosem Gesicht an der Wand. Als der Ölprinz eintrat und die gemütliche Szene sah, verengten sich seine Augen. Mit leiser Stimme sagte er: «Wer hat euch erlaubt, in mein Zimmer zu kommen!» Butler blieb ruhig liegen. Er machte nur mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand die Bewegung des Geldzählens. Der Ölprinz herrschte ihn an: «Runter von meinem Bett!» Da stand Butler widerwillig auf. Jetzt zog der Ölprinz Geld aus der Tasche und gab es ihm. Dazu sagte er: «Damit wir uns richtig verstehen: Dieser eine Tote genügt. Ihr habt nur dafür zu sorgen, daß die Siedler sich nicht am Shelly-See niederlassen. Bleibt noch der verdammte Schnüffler Surehand, er könnte unserem Plan gefährlich werden.» Butler verstand sofort und sagte: «Der kostet aber mehr als der von heute.» «Gut», erwiderte der Ölprinz, «ich setze eine Prämie aus, aber jetzt hinaus mit euch.» Freudig grinsend über die versprochene Prämie polterten Butler und Webster die Treppe hinunter und setzten sich mit Richard Forsythe, dem fremden Jüngling, an den Pokertisch. Knife lehnte immer noch unbeweglich an der Wand. Der Ölprinz war ruhig ans Fenster getreten und blickte hinaus. Auf dem Lagerplatz der Siedler herrschte geschäftiges Treiben. Frau Ebersbach und Lizzy Bergmann spannten ein Wäscheseil von einem Wagen zum andern. Drei junge Burschen, die Söhne des Treckführers Campbell, lungerten zwischen den Wagen herum und neckten sich mit den beiden Frauen. Nun kam der rothaarige Paddy angeritten, sprang aus dem Sattel und ging auf Campbell zu.
Er stellte sich als der Führer Bill Forner vor und überreichte ihm Old Surehands Brief. Campbell begrüßte den vermeintlichen Führer herzlich und rief: «Von uns aus kann's losgehen! Kommt, ich stelle euch meine Kameraden vor und sage Ihnen zugleich Bescheid.» Zusammen gingen sie nun zwischen den Wagen umher, und Campbell forderte alle auf: »Macht euch bereit, es geht los!» «Endlich», seufzte Lizzi, als sie es hörte, und nahm die aufgehängte Wäsche wieder ab. Dies alles hatte der Ölprinz von seinem Fenster aus beobachtet. Nun sah er einen älteren Mann aus der Findersbande die Straße heraufreiten, vor dem Hotel aus dem Sattel springen und eintreten. Der Ölprinz trat vor die Türe seines Zimmers hinaus, um zu vernehmen, was der Bandit für Neuigkeiten zu berichten habe. Er hörte ihn aufgeregt erzählen: «Old Surehand kommt, er bringt einen Toten mit!» Der Ölprinz winkte Knife herbei und sagte ihm: «Den werden wir am Wasserturm in Empfang nehmen.» Dann gingen sie zusammen die Treppe hinunter. Im Vorbeigehen flüsterte der Ölprinz Butler und Webster zu: «Um den kümmere ich mich selbst, ich will keine Schießerei, verstanden.» Dann verließ er mit Knife das Hotel.
Am Wasserturm trafen Old Surehand und Old Wabble mit dem Ölprinzen und Knife zusammen. Der Ölprinz versuchte es zuerst mit Freundlichkeit. Doch das mußte er bald aufgeben und sagte nun unumwunden zu Old Surehand: «Ich rate euch sehr, euch von dieser Gegend fernzuhalten, Ihr könnt sonst Unannehmlichkeiten bekommen.» Old Surehand antwortete ungerührt: «Der, welcher am Tode dieses rechtschaffenen Burschen schuld ist, wird ganz bestimmt Unannehmlichkeiten bekommen.» Damit ritt er, ohne den Ölprinzen weiter zu beachten, davon. Dieser biß sich zornig auf die Lippen und befahl dann dem stummen Knife: «Du kümmerst dich um Paddy!» Während Knife auf Umwegen ins Siedlerlager ritt, kehrte der Ölprinz in sein Hotelzimmer zurück.
Im Lager der Siedler herrschte eifrige Geschäftigkeit. Alles wurde zur Abreise fertiggemacht und gepackt. Lizzys Vater holte ganz verstohlen einen Geldsack aus seiner Kleiderkiste, betrachtete ihn von allen Seiten und versteckte ihn dann wieder ganz zuunterst in der Kiste. Als Lizzy kurz darauf die Kiste öffnete, um noch ein Kleidungsstück zu versorgen, fuhr er sie barsch an: «Kümmere dich um deine Sachen, um meine kümmere ich mich selbst!» und schlug ihr den Kistendeckel aus der Hand. Kopfschüttelnd ging Lizzy davon. Hinter der Plane des Nachbarwagens verschwand Knife, der Lizzys Vater mit dem Geldsack beobachtet hatte. Unbemerkt schlich er weiter von Wagen zu Wagen bis er Paddy gefunden hatte; dem machte er ein Zeichen, welches bedeutete: Gefahr, mach dich davon. Dann schlich er selber ins Hotel zurück. Dort berichtete er dem Ölprinzen in der Zeichensprache genau alles von dem versteckten Geldsack. «Gut», sagte der Ölprinz darauf, «den werden wir uns noch holen, aber nicht jetzt.» Damit stellte er sich ans Fenster und beobachtete das Lager der Siedler. Jetzt kamen Old Surehand und Old Wabble mit dem toten Bill Forner ins Lager geritten. Campbells freudige Begrüßung schnitt Old Surehand kurz mit der Frage ab: «Wo ist Bill Forner?» Erstaunt schaute Campbell um sich, konnte Paddy nirgends entdecken und rief laut: «He, Billy!» Aber schon hatte Old Surehand den Gesuchten entdeckt.
Paddy schlich gerade geduckt über die Veranda, um sich ins Hotel zu stehlen. Mit ein paar langen Schritten war Old Surehand bei ihm und zwang ihn mit vorgehaltenem Gewehr, ins Siedlerlager zurückzukehren. Dort erklärte er den Siedlern: «Der Tote hier ist Bill Forner, der da ist ein Betrüger!» Und zu Paddy gewandt: «Du sagst mir jetzt, wer den Jungen erstochen hat, aber plötzlich . . .» Langsam hob er das Gewehr. Paddy wich zurück, doch der Lauf des Gewehres folgte ihm, und Old Surehand ließ ihn nicht aus den Augen. Kalt sagte er: «Nun, wer hat den Jungen getötet?» und legte den Finger an den Abzug. Da schrie Paddy angstvoll auf: «Nicht schießen, ich sage alles, es war -» In diesem Moment knallte ein Schuß und Paddy fiel ins Herz getroffen zu Boden. Blitzschnell drehte sich Old Surehand um, schoß, und vom Dachvorsprung des nächststehenden Hauses fiel der Schütze, der Paddy erschossen hatte, auf die Straße. Schreckerfüllt hatten die Siedler alles gesehen. Sie verstanden es nicht. Old Surehand erklärte ihnen: «Ihr seid betrogen worden und befindet euch in Gefahr. Die Findersbande ist in der Stadt. Macht euch morgen früh auf den Weg nach dem Shelly- Fluß. Wenn ihr euch beeilt, könnt ihr am Abend schon dort sein. Old Wabble wird euch bis dorthin führen. Ich selbst werde euch dort treffen und weiterführen. Inzwischen werden Winnetou und ich mit den Comantschen wegen des Landes verhandeln. Wenn wir Glück haben, schenken sie es euch. Doch jetzt habe ich noch etwas anderes zu tun.» Mit langen Schritten ging Old Surehand zum Hotel und trat ein. Drinnen fragte er ein paar herumsitzende Findersleute nach dem Ölprinzen. Die Banditen standen sofort auf und rempelten ihn an. Doch er teilte einige harte Faustschläge aus und konnte danach unbehelligt die Treppe hinaufsteigen. Der Ölprinz hörte ihn auf sein Zimmer zukommen. Er deutete Knife, sich hinter der Türe zu verstecken und legte sich selber aufs Bett. Kaum lag er, trat Old Surehand auch schon ein. «Sie halten wohl nichts vom Anklopfen?» fragte der Ölprinz scharf. «In diesem Fall nicht», antwortete Old Surehand kalt, trat ans Fenster und schaute hinaus. «Von hier aus hätte man dem Schützen, der den falschen Führer der Siedler erschoß, leicht ein Zeichen geben können», sagte er dann zum Ölprinzen. Dieser tat ahnungslos. «Ich weiß nicht, wovon Sie überhaupt reden.» Hinter der Türe wartete Knife auf ein Zeichen, um Old Surehand anzugreifen, aber das Zeichen kam nicht. Old Surehand trat einen Schritt auf die Türe zu, hob seine Hand und schleuderte blitzschnell sein Messer gegen den Ölprinzen. Haarscharf neben seiner Schläfe fuhr das Messer in die Bettstatt. «Damit Sie wissen, mit wem Sie reden», sagte Old Surehand leise. «Das hätten Sie nicht tun sollen», zischte der Ölprinz. Nun tat Old Surehand, wie wenn er das Zimmer verlassen wollte. Hinter der Türe duckte sich Knife zum Sprung. Doch unvermittelt warf sich Old Surehand gegen die Türe, diese krachte Knife an den Kopf und warf ihn zu Boden. Wie wenn nichts gewesen wäre, ging Old Surehand hinaus und die Treppe hinunter.
Draußen bestieg er sein Pferd und winkte den Siedlern zum Abschied noch einmal zu. Der Ölprinz verließ sein Zimmer und suchte Butler auf. Er deutete auf den davon reitenden Old Surehand: «Ich habe eine Prämie ausgesetzt, ihm nach, holt sie euch!» Dann ging er wieder in sein Zimmer hinauf.
Kantor Hampel, der Bruder von Frau Ebersbach, benützte
die Unruhe im Lager, um sich zu einem letzten Schoppen ins
Hotel fortzuschleichen. Er war ein gutmütiger Mensch, aber
völlig weltfremd, und hatte nur seine Musik im Kopfe. im
Hotel wurde er von einigen Findersleuten empfangen. Sie
langweilten sich und verlangten von dem Kantor rassige
Musik. Doch dieser spielte schließlich ein Wiegenlied so
herzbewegend, daß die harten Gesellen zu lächeln anfingen
und schließlich sogar mitsummten. Doch diese weiche Stimmung dauerte nicht lange. Bald zerrten die Banditen den
Kantor vom Klavier weg, um mit ihm Poker zu spielen. Sie
hatten, im Sinn, ihm Geld, Uhr und Manschettenknöpfe abzunehmen. Aber wer beschreibt ihr Erstaunen, als der Kantor
am Schluß der Runde vier Asse auf den Tisch legte und den
ganzen Einsatz gewann. Sogleich wollten sich die Banditen
über ihn hermachen. Doch da traten Frau Ebersbach und
Lizzy ein, um den Kantor zurückzuholen. Sie zeigten den
Männern energisch den Meister und steckten auch des Kantors Gewinn ein. Dann nahm Frau Ebersbach ihren Bruder
am Arm, um mit ihm das Hotel zu verlassen.
In diesem Moment ertönte von oben eine zornige Stimme:
«Du elender Falschspieler!» Ein Faustschlag krachte, und
Richard Forsythe kippte rücklings über das Geländer und
polterte kopfvoran die Treppe hinunter. Blutend und halb
bewußtlos blieb er vor Frau Ebersbach und Lizzy liegen. Die
beiden Frauen bückten sich mitleidig zu ihm nieder und
wischten ihm das Blut ab. Dabei fielen aus Richards linkem
Ärmel fünf Asse. «Sieh mal an, fünf Asse, so ein Schelm!»
sagte der Kantor dazu. Als Richard wieder zu sich gekommen war, nahmen ihn die Frauen mit ins Siedlerlager. Dort hatte die hübsche Lizzy keine Mühe, Richard zum Bleiben
und zu der Reise an den Shelly-See zu überreden.
Von seinem Fenster aus beobachtete der Ölprinz die Straße.
Als er die beiden Frauen und den Kantor mit Richard das
Hotel verlassen sah, lachte er auf. Sein Plan war gelungen.
Als er vom Wasserturm zurückgekehrt war, hatte er im Spielzimmer einen Tumult gehört. Richard war als Falschspieler entlarvt worden und sollte nun für seine Betrügerei büßen.
Da hatte der Ölprinz einem Banditen zugerufen: «Bring den
Mann zu mir herauf!» In seinem Zimmer hatte der Ölprinz
Richard erklärt: «Sie sind ein Falschspieler. Dafür können
Sie gehängt werden. Entweder gehen Sie jetzt mit den Siedlern und verraten mir ihre Pläne, oder ich übergebe Sie dem nächsten Gericht. Widerstrebend hatte Richard eingewilligt,
und als die günstige Gelegenheit da war, hatte ihn der Ölprinz die Treppe hinuntergeworfen.
Old Surehand ritt in scharfem Tempo den Bergen zu, um bei den Comantschen mit Winnetou zusammenzutreffen. In einem friedlichen Tal stieg er ab und ließ das Pferd am Bach saufen. Er selbst legte sich bäuchlings ins Gras und trank selbst in langen, durstigen Zügen. Danach wollte er weiterreiten, besann sich aber doch anders. Es dämmerte schon, und das Pferd hatte Ruhe nötig.
Also beschloß er, eine Rast einzuschalten. Er band sein Pferd an einen Baum, gönnte
sich selbst aber keinen Schlaf. Er richtete seine Decke mit
Hut und Stiefeln so her, als ob er darunter läge. Auch ein
kleines Lagerfeuer zündete er an. Dann stellte er sich in
Strümpfen, das Gewehr im Anschlag, hinter einen dicken
Baum und wartete. Er hatte die Drohung des Ölprinzen nicht
vergessen. Ringsum war alles still und ruhig. Old Surehand
stand regungslos und lauschte.
Durch das Gebüsch schlich lautlos Chuck Webster mit drei
Kumpanen. Vorsichtig näherten sie sich dem Lagerplatz. Sie
erspähten den «schlafenden» Old Surehand im Scheine des
Feuerchens. Webster flüsterte: «Wir dürfen kein Risiko eingehen. Erst wenn ich schieße, drückt ihr auch ab. Jeder Schuß muß sitzen. Jetzt geht auf eure Posten.» Lautlos nahmen die Banditen ihre Plätze rings um den Lagerplatz ein und legten auf «Old Surehand» an. Webster stand am nächsten, zielte und schoß. Sofort peitschten drei weitere Schüsse durch die Nacht. Old Surehand sah hinter seinem
Baumstamm hervor die Mündungsfeuer aufblitzen. Er hob
sein Gewehr und schoß dreimal rasch hintereinander. Drei
Schmerzensschreie ertönten. Drei Banditen waren in die
Hand getroffen worden und ließen ihre Gewehre fallen. Old
Surehand spähte nun noch nach dem ersten Schützen aus.
Webster hatte seinen Posten aber verlassen und war an den
Bach hinuntergeschlichen. Von dort aus konnte er die Umrisse Old Surehands sehen. Er hob sein Gewehr, zielte sehr
genau und sehr sorgfältig, faßte dann Druckpunkt und - von
zwei fast gleichzeitig fallenden Schüssen in beide Hände
getroffen schrie er auf. Sein Gewehr fiel zu Boden.
Old Surehand suchte mit scharfem Blick den Waldrand nach
dem andern Schützen ab. Bald erkannte er Winnetou, aufrecht auf einem Felsen stehend, die Silberbüchse in der
Hand. Die beiden Freunde traten aufeinander zu und begrüßten sich. Old Surehand rief den Banditen zu: «Noch
habt ihr gesunde Füße! Beeilt euch, eurem Chef auszurichten, daß ich ihn nicht vergessen habe.» Schimpfend und
fluchend brachen die Banditen durch das Gebüsch, und bald
ertönte der Hufschlag ihrer davonjagenden Pferde.
Auf der Anhöhe über dem Lagerplatz wartete Nitsas-Ini, der
Häuptling der Navajos, mit seinen Unterhäuptlingen auf
Winnetou und Old Surehand. Winnetou hatte schon mit ihm
die Pfeife der Beratung geraucht und ihn von der Ehrlichkeit
und den friedlichen Absichten der Siedler überzeugt. Er war
bereit, ihnen sein Gebiet am Shelly-See unentgeltlich abzutreten und mit ihnen in guter Nachbarschaft zu leben. Er
wollte jetzt Winnetou und Old Surehand zu Mokaschi, dem
Häuptling der Comantschen, führen. In den Streit der Bleichgesichter mischte er sich nicht ein, es ging ihn nichts an.
Unbewegt wartete er.
Winnetou und Old Surehand pfiffen ihre Pferde herbei und
schlossen sich den Navajos an. Schweigsam ritten sie dahin. Old Surehand machte sich Sorgen um die Siedler.
Im Stammlager der Comantschen wurden sie von Häuptling Mokaschi empfangen. Sogleich setzten sie sich an das Feuer der Beratung. Mokaschi begann «Um das Land am Shelly-See flossen Ströme von Comantschen- und Navajoblut und färbten das Wasser des Sees rot. Wir meiden darum diesen Ort des Unheils.» Hier ergriff Winnetou das Wort: «Meine Brüder meiden den See als einen Ort des Unheils. Doch er ist reich an Fischen, das Land ist fruchtbar, im Wald stehen ungezählte Stämme. Die Siedler verstehen Dinge, die wir nicht kennen. Sie werden das Land bebauen und Vieh züchten. Sie werden meinen Brüdern Fleisch, Mais und Milch liefern. Nitsas-Ini und Mokaschi sollten dem Wort Old Surehands, meines weißen Bruders, trauen und den Siedlern das Land überlassen.» Der Häuptling der Comantschen antwortete: «Mokaschi weiß, daß Old Surehand nicht mit gespaltener Zunge redet. Er vertraut seinem Wort. Doch wird er auch seine Hand für seine Freunde ins Feuer legen?» Old Surehand erhob sich und sagte feierlich: «Ich stehe mit meinem Leben für die Ehrlichkeit der Siedler ein. Fleisch, Milch und Mais werden sie für das Land bezahlen: Geld haben sie nicht, sie sind arm.» Nitsas-Ini antwortete: «Die Navajos schenken das Land den Freunden Old Surehands. Sie werden die Siedler schützen.» Mokaschi sprach: «Auch die Comantschen schenken das Land den Freunden Old Surehands. Auch sie werden die Siedler schützen.» Old Surehand trat vor die beiden Häuptlinge und erwiderte: «Ich danke meinen roten Brüdern. Winnetou und ich werden unseren Freunden die gute Nachricht überbringen.» Auf indianische Art verabschiedeten sich Winnetou und Old Surehand darauf von den beiden Häuptlingen und ritten zu Tale, um die Siedler am Shelly-Fluß zu treffen.
In aller Stille hatten die Siedler ihre Wagen reisefertig gemacht. In der Stadt hatten sie überall erzählt, Old Surehand werde in drei Tagen nach Tucson zurückkehren, um sie an
den Shelly-See zu führen. Doch schon in der frühen Morgendämmerung des nächsten Tages wurden
die Pferde angeschirrt. Schweigend stiegen die Siedler auf ihre Wagen.
Frau Ebersbach setzte sich neben ihren Bruder und nahm
die Zügel in die Hand. Vater Bergmann setzte sich neben
Lizzy und Richard Forsythe auf den Kutschbock. Im Gedanken an seinen Geldsack schätzte er es gar nicht, einen
Falschspieler in seinem Wagen zu wissen.
Campbell und Old Wabble ritten zum letztenmal vor der
Abfahrt den Treck entlang. Neben Bergmanns Wagen hielten sie an, und Old Wabble sagte: «Beim alten Blockhaus
am Shelly-Fluß werden wir zum erstenmal übernachten.»
«Gut, also los!» rief Campbell, und die beiden galoppierten
an die Spitze des Trecks. Als sie verschwunden waren, faßte
Richard an seinen Kopf, stöhnte und jammerte: «Mein Kopf,
oh mein Kopf, ich muß ihn noch einmal ins Wasser stecken!»
Damit sprang er vom Wagen und ging hinter einen Schuppen. Dort zog er einen Zettel aus der Tasche und schrieb
hastig darauf: «Erste Rast beim alten Blockhaus am Shelly-Fluß.» Dann wickelte er das Papier um einen Stein und warf diesen durch das Fenster ins Zimmer des Ölprinzen. Nun
steckte er schnell den Kopf ins Wasser, ging zurück und
stieg wieder zu Lizzy und Bergmann auf den Wagen.
Der Ölprinz hob den Stein sofort auf, wickelte ihn aus, las
die Botschaft und lächelte zufrieden. Nun würde er zu verhindern wissen, daß die
Siedler den Shelly-See je erreichten. Sofort ließ er Butler zu sich kommen und gab ihm genaue Anweisungen.
Butler war zufrieden. Das war ein Auftrag nach seinem Herzen.
Unterdessen hatte sich der Treck in Bewegung gesetzt.
Langsam holperten die Wagen von der Stadt weg, über die
Prärie, der neuen Heimat entgegen. Kantor Hampel hielt es
nicht lange neben seiner Schwester auf dem Kutschbock
aus. Er holte sich hinten im Wagen Notenpapier und einen
Gänsekiel und fing an zu trällern und zu komponieren. Das
Holpern des Wagens störte ihn nicht dabei.
Am späten Nachmittag erreichten die Siedler glücklich das
alte Blockhaus. Nicht weit davon entfernt fanden sie am
Fuß einen geeigneten Lagerplatz und bauten eine halbrunde
Wagenburg, welche von den Männern noch mit Schutzwehren
verstärkt wurde. Der Shelly-Fluß strömte friedlich am Lager
vorbei, doch das Tosen der weiter flußabwärts liegenden
Wasserfälle lag beständig über dem Stimmengewirr im Lager.
Aufgeregt ging der Kantor am Ufer auf und ab. Die Musik
für seine neue Oper »Im wilden Westen« ließ ihm keine Ruhe.
Da sah er eine Gruppe von Kindern, die sich am Ufer tummelten. Gleich gesellte er sich zu ihnen, hieß sie sich aufstellen und übte mit ihnen alle Lieder, die sie kannten. Ärgerlich kam
Campbell daher und fuhr den Kantor an: «Wißt ihr nichts Gescheiteres
zu tun, jetzt, wo wir auf einen Angriff der Findersbande gefaßt sein müssen?» Der Kantor erwiderte nur: «Ich komponiere eine Oper, ich gehe Eindrücke sammeln.» Old
Wabble bot sich an, auf ihn aufzupassen.
Zusammen gingen sie zum alten Blockhaus hinauf. Der Kantor war davon begeistert. Sie stießen die Tür auf und traten
ein. Sie kamen in einen dämmerigen Raum. Eine mit Spinnweben verhangene Leiter führte auf den Dachboden.
Die beiden Freunde setzten sich an den wackeligen Tisch im Blockhaus, und der Kantor begann, Old Wabble seine Oper zu
erklären. Zum besseren Verständnis stellte er die Patronen
aus Old Wabbles Revolver als Personen auf den Tisch. Die
letzte Patrone sollte Winnetou darstellen, dem der Kantor
auch eine Rolle zugedacht hatte.
Plötzlich ertönte Hufgetrampel. Old Wabble ergriff seinen
leeren Revolver und flüsterte: «Es kommen Reiter, wir müssen hier weg!» Durch einen schmalen Türspalt spähte er vorsichtig hinaus. Es war inzwischen Nacht geworden. Aus
dem Wald kam die Findersbande geritten. Zwischen Butler
und Webster ging Richard Forsythe. Er hatte sich wie verabredet beim Blockhaus mit den Banditen getroffen, um
ihnen den günstigsten Zeitpunkt für einen Angriff auf das
Siedlerlager zu verraten. Butler fragte gerade nach Old
Surehand. Richard antwortete: «Der kommt erst morgen wieder. Er ist doch mit Winnetou bei den Comantschen, um
ihnen das Land am Shelly-See für die Siedler . . .» Hier biß
er sich auf die Lippen und schwieg. Butler fuhr an seiner
Stelle weiter: «abzubetteln, wolltest du sagen. Das Land gehört also den Siedlern noch gar
nicht, das ist ja sehr interessant.» Aber Richard sagte nichts mehr dazu. Sie waren
nun beim Blockhaus angekommen und banden die Pferde
am Verandageländer an. Drinnen flüsterte Old Wabble: «Das
ist der Falschspieler, weg hier, auf den Dachboden!» Eilig
stiegen die beiden die wacklige Leiter hinauf und duckten
sich unter das Dach. Kaum waren sie verschwunden, trafen
die Banditen und Richard beim Blockhaus ein. Sie sahen
gerade noch die Türe ins Schloß fallen und wurden mißtrauisch.
Butler schickte Richard voraus, um Nachschau zu halten. Vorsichtig trat dieser ein, fand den Raum leer und rief: «Es zieht hier drinnen, sonst ist nichts, kommt nur nach!» Butler und Webster traten nun ein. «Das ist aber eine Bruchbude», meinte der eine. Darauf der andere: «Tut nichts, hier sollen wir uns nach dem Angriff auf die Siedler mit dem Ölprinzen treffen.» Der Kantor auf dem Dachboden hörte das, stieß einen überraschten Schrei aus und wollte aufspringen. Old Wabble hielt ihn aber zurück und verschloß ihm den Mund mit der Hand. Doch die Banditen unten waren aufmerksam geworden. «Forsythe, steig hinauf und schau nach», befahl Butler. Richard gehorchte. Als er den Dachboden überblicken konnte, sah er sogleich Old Wabble und den Kantor, die ihn erschreckt anstarrten. Ein Weilchen blieb er noch stehen, zertrümmerte dann mit einem scheinbar ungeschickten Tritt die Leiter und stürzte polternd mit ihr zu Boden. Dann stand er ruhig auf, klopfte den Staub von den Hosen und sagte: «Es wimmelt von Ratten dort oben.» Damit gab sich Butler zufrieden. «Und nun zur Sache», mahnte er. Richard stand immer noch unter der Dachbodenluke und sagte nun mit lauter Stimme: «Der günstigste Zeitpunkt für einen Angriff ist etwa in einer Stunde. Es sind nur zwei Wachen aufgestellt, die Lagerfeuer sind erloschen. Die Siedler haben nur ein paar Gewehre.» «Gut», antwortete Butler, «ein dreifacher Käuzchenruf ist unser Zeichen. Wenn du ihn hörst, zündest du ein paar Wagen an, damit wir etwas sehen.» Laut und deutlich wiederholte Richard noch einmal den ganzen Plan. Dann verabschiedete er sich: «Es fällt auf, wenn ich zu lange wegbleibe, also bis in einer Stunde.» Auch Butler und Webster verließen das Blockhaus. Ratlos schauten sich Old Wabble und der Kantor an. »Wir müssen die Siedler warnen», sagte schließlich Old Wabble, «aber wie? Ungesehen kommen wir hier nie weg.» Er blickte sich um und bemerkte ein großes Loch im Dach. Die beiden stiegen sogleich aufs Dach, um von dort oben einen Schuß zur Warnung der Siedler abzugeben. Sie sahen gerade noch die Banditen im Wald verschwinden, ihre Pferde blieben angepflockt auf dem Platz vor dem Blockhaus zurück. Old Wabble hob seinen Revolver und drückte ab, aber kein Schuß ertönte, die Patronen lagen ja alle drunten in der Hütte auf dem Boden. Jetzt langte der Kantor in die Tasche und holte die Patrone «Winnetou» heraus. Old Wabble lud damit den Revolver, hielt ihn hoch und . . . Von hinten legte sich eine Hand auf seinen Arm und nahm ihm den Revolver weg. Winnetou hielt ihn so vor einer Dummheit zurück, die ihn und den Kantor das Leben gekostet hätte. Dann bedeutete Winnetou den beiden sofort ins schützende Dunkel hinter der Hütte hinunterzuklettern.
Winnetou und Old Surehand waren eben erst am Shelly-Fluß eingetroffen. Bevor sie sich den Siedlern zeigten, wollten sie noch die Umgebung des Lagers nach Feinden absuchen. Winnetou hatte es übernommen, die Waldseite zu kontrollieren. Dabei war er auf die Blockhütte mit den angepflockten Pferden auf dem Vorplatz und Old Wabble und dem Kantor auf dem Dach gestoßen. Old Surehand ging dem Flußufer entlang. Lautlos bewegte er sich vorwärts. Da hörte er plötzlich ein leises Plätschern im Wasser. Er blieb stehen. Das Plätschern kam näher, und bald stieg Richard aus dem Wasser ans Ufer.
«Sieh mal einer an, wir bekommen Besuch», sagte Old Surehand leise und packte Richard
am Kragen. Er ließ ihn erst wieder los, als er ihm alles über
den geplanten Angriff und auch das verabredete Zeichen
verraten hatte. Dann ging er ins Lager und befahl den Siedlern, sich lautlos zum Kampf bereitzumachen.
Er selbst übergoß einen mitten in der Wagenburg aufgeschichteten Holzstoß mit
Petroleum und hieß Richard eine Pulverspur davon
weg streuen. Da ertönte der erste Käuzchenruf. Old Surehand ging zu Boden und kroch lautlos der Pulverspur nach.
Als er bei Richard anlangte, hallte der zweite Käuzchenruf
vom Wald herüber. Richard kroch nun ins Lager zurück, um
den Siedlern beizustehen. Old Surehand wartete gespannt
auf den dritten Käuzchenruf. Als er ertönte, riß er ein Streichholz an und hielt die Flamme an die Pulverspur. Sie zündete sofort, und rasch lief das Feuerchen der Pulverspur nach
auf den Holzstoß zu. Old Surehand kroch weiter zurück,
ohne dabei den Waldrand aus den Augen zu lassen. Seine
scharfen Augen sahen Zweige sich bewegen und Revolver im
Mondlicht blinken. Nun hatte das Flämmchen den Holzstoß
erreicht, mit einem Knall entzündete sich das Petroleum und
der Holzstoß stand in hellen Flammen. Das Feuer erleuchtete
den ganzen Platz. Ein brennendes Holzscheit flog durch die
Luft und traf Richard am Kopf. Bewußtlos blieb er liegen.
Kaum loderte das Feuer auf, sprangen die Angreifer am
Waldrand hoch und rannten auf das Lager zu. Von einem
Kugelhagel aus zwanzig Gewehren wurden sie empfangen.
Überrascht hielten sie einen Moment an. Zwei lagen schon
getroffen am Boden. Doch dann stürmten die übrigen immer
feuernd auf die Wagenburg zu. Aber die Siedler hielten dem
Angriff stand. Die Männer schossen kaltblütig, und die
Frauen trugen Munition herbei und luden die Gewehre. Wieder wurde ein Bandit getroffen und stürzte.
Den Fluß herunter kamen vier Banditen auf einem Floß, um
die Siedler vom Ufer her anzugreifen. Campbells Söhne
bemerkten sie. Schnell befestigten sie zwei Räder an einer
Achse, umwickelten diese mit Stroh und gossen Petroleum
darüber. Als die Banditen am Ufer anlegten, zündete einer
der Burschen das Stroh an und ließ die brennende Achse
mit einem mächtigen Schwung mitten auf das Floß rollen.
Die vier Banditen wurden vom Floß hinunter ins Wasser gefegt. Hier hatten sie genug damit zu tun, ihre eigene Haut
zu retten. Sie waren keine Gefahr mehr.
Bei der Wagenburg ging der Kampf weiter. Frau Ebersbach
versorgte Old Surehand mit Munition. Er zielte ruhig und
schoß genau. Am Waldrand brachen wieder drei Angreifer
zusammen. Da sagte Old Surehand: «Das wird ihnen reichen!» Und wirklich wandten sich nun die Banditen um und rannten in wilder Flucht vom Kampfplatz weg. Doch ehe sie
die schützenden Bäume erreicht hatten, brach aus dem Wald
eine Horde reiterloser Pferde heraus und raste donnernd
über sei hinweg. Es waren ihre eigenen Pferde, gelenkt von
Winnetou, der mitten unter ihnen ritt. Er trieb die Pferde alle
ins Lager hinunter. Old Surehand kam Winnetou entgegen
und sagte: «Für heute nacht haben wir Ruhe.»
Draußen rief Lizzy nach Richard. Bald fand sie ihn und verband ihm sorgfältig seine Wunde. Auch Old Wabble und
der Kantor kamen jetzt an, voll Wut über den verräterischen
Richard. Sie konnten lange Zeit nicht begreifen, warum niemand ihre Wut teilte.
Aber bald hatte sich der Kantor beruhigt und setzte sich wieder an sein geliebtes Harmonium.
Die Findersbande hatte sich zum Blockhaus zurückgezogen,
wo unterdessen der Ölprinz mit dem Bankdirektor Duncan und
mit Kowacz angekommen war. Butler und Webster standen
auf Wache. Nun trat der Ölprinz auf die Veranda hinaus und
spottete: «War gar nicht so einfach, he?» Butler antwortete:
«Das verdanken wir ihrem Falschspieler! Der sollte uns jetzt
über den Weg laufen!» Doch der Ölprinz erwiderte: «Immerhin
verdankte ich ihm die Information, daß das Land am Shelly-See noch gar nicht den Siedlern gehört.
Das zu wissen, ist mir eure Niederlage wert. Und jetzt kommt mit herein.»
Drinnen saßen Duncan, Kowacz und Knife um den wackligen
Tisch. Der Bankdirektor war völlig erledigt von dem langen
Ritt von Tucson her. Er stöhnte: «Nein wirklich, heute bringen mich keine zehn Pferde mehr auf einen Gaul.» Da trat der Ölprinz mit Butler ein. Auf den Banditen zeigend sagte
er großartig: «Das hier ist Mister Butler, der Chef unserer
Schutztruppe. Er hat großartig unter der Findersbande aufgeräumt. Sie alle werden gut bei ihm
aufgehoben sein, während ich weg bin. Ich muß nur noch von Häuptling Mokaschi,
meinem Blutsbruder, den Kaufvertrag für das Land am
Shelly-See holen. Morgen bin ich wieder zurück.»
Ganz allein ritt der Ölprinz davon, um den Häuptling Mokaschi aufzusuchen. Aber er wollte keinen Kaufvertrag holen,
er hatte anderes im Sinn. Sehr höflich trat er dem Häuptling entgegen und versuchte ihn zuerst mit Schmeicheleien
zu gewinnen. «Noch lange wird man an den Lagerfeuern von
deinem großmütigen Landgeschenk an die Siedler berichten», sagte er. «Aber man wird auch erzählen, Mokaschi
habe sich durch schöne Worte täuschen lassen. Denn die
Siedler sind gar nicht arm, sie sind sehr reich!» Der Häuptling entgegnete ruhig: «Old Surehand hat mit seinem Leben für die Ehrlichkeit der Siedler gebürgt. Mokaschi glaubt
ihm.» Der Ölprinz ließ nicht nach: «Wer einen Sack voll Geld
besitzt und dir sagt, er sei arm, ist doch nicht ehrlich!»
Daraufhin sah ihn Mokaschi lange an. Dann sagte er entschlossen: «Wir reiten, du
mußt deine Behauptung beweisen.» Er winkte seinem Sohn, ihn zu begleiten. Sogleich
bestiegen der Häuptling und sein Sohn ihre Pferde, und auch
eine Eskorte von acht Kriegern machte sich zum Ritt bereit.
Der Ölprinz ging zu seinem Schimmel hinüber und tätschelte
ihm den Hals. Dabei flog ein triumphierendes Lachen über
sein Gesicht. Die Siedler hatten wohl die Findersbande geschlagen, doch in einem Kampf mit den Indianern würden
sie unterliegen. Er würde sein Geschäft am Shelly-See ohne
Zeugen abwickeln können.
Die Sonne ging auf, als Mokaschi, sein Sohn, der Ölprinz
und die acht Krieger aufbrachen. Nach einem schnellen,
scharfen Ritt näherten sie sich dem Lager. Lizzy sah sie
zuerst. Sie rief Winnetou, Old Surehand und Campbell herbei. Aber nicht nur Lizzy hatte die Reiter bemerkt. Knife, der
den ganzen Morgen das Lager beobachtet hatte, sah sie
auch. Instruktionen gemäß schlich er nun ins Lager hinunter
und versteckte sich hinter dem Nachbarwagen Bergmanns.
Vorsichtig guckte er hinüber und sah gerade, wie Bergmann
den Geldsack in die Kiste zurücklegte und dann den Deckel
schloß. Befriedigt duckte er sich wieder.
Nun waren die Reiter beim Lager angekommen. Sie stiegen
ab und traten in die Mitte der Wagenburg. Campbell begrüßte sie und fragte sie nach ihren Wünschen.
Old Surehand, der beim Erscheinen des Ölprinzen gleich Ungutes
geahnt hatte, trat näher, um alles hören zu können. Mokaschi redete Campbell an: «Dieser Mann hier», er deutete auf den Ölprinzen, «sagt mir, daß ihr nicht arm seid.» Hier
mischte sich Old Surehand ein: «Was immer dieser Mann
behauptet hat, er hat gelogen. Oder habt ihr etwas anderes
dazu zu sagen, Campbell?» Dieser antwortete ganz erstaunt:
«Wir besitzen weder Geld noch Gold. Wenn wir alle hier
unser Geld zusammenlegen, so gibt das keine 500 Dollar.»
Nun wandte sich Mokaschi an den Ölprinzen: «So beweise
jetzt, was du behauptet hast.» Der Ölprinz zeigte auf Bergmanns Wagen: «Dort ist das Geld!» Da befahl Mokaschi seinem Sohn: «Schau nach und berichte mir dann, wer die
Wahrheit sagt.» Der junge Indianer entfernte sich und stieg
auf Bergmanns Wagen. Dort wollte Bergmann den Geldsack
gerade aus der Kiste nehmen, um ihn anderswo zu verstecken. Der Indianer entriß ihm den Geldsack und wollte damit
vom Wagen springen. Da traf ihn Knifes Messer in den
Rücken. Er stürzte vom Wagen. Der Geldsack zerplatzte,
und gleißende Goldstücke lagen rings um den Kopf des toten
Häuptlingssohnes zerstreut. Dies alles war nicht geräuschlos
vor sich gegangen. Mokaschi, Winnetou, Old Surehand, der
Ölprinz, Campbell, die Siedler, alle rannten zu Bergmanns
Wagen. Mokaschi erreichte ihn zuerst und erkannte sogleich, was geschehen war. Stumm blieb er neben seinem
Sohn stehen. Auch die Nachfolgenden fanden keine Worte,
als sie den Toten in dem verstreuten Golde liegen sahen.
Endlich wandte der Häuptling seinen Blick von dem Toten
ab auf Old Surehand. Mit fester Stimme sagte er: «Bis der
Sonnenball wieder aufsteigt aus dem Meer der Nacht habt
ihr Zeit. Habt ihr bis dahin Mokaschi nicht den Mörder seines Sohnes ausgeliefert, wird er sich von euch fünfzig Leben
nehmen für das Leben seines Sohnes. Old Surehand aber
verläßt für alle Zeiten das Land der Comantschen!» Zur
Bekräftigung seiner Worte stieß er dann seinen Speer mit
der Spitze tief in die Erde. Jetzt wandte er sich wieder seinem Sohne zu, bückte sich zu ihm
hinunter, hob ihn mit starken Armen auf und trug ihn von der Wagenburg weg zu den
Pferden. Dreist folgte ihm der Ölprinz. Zusammen ritten sie
dann wieder den Bergen zu. Als sie die erste Hügelkette
überquert hatten, verabschiedete sich der Ölprinz von
Häuptling Mokaschi mit sehr höflichen, liebenswürdigen
Worten. Doch das Gesicht des Häuptlings blieb kalt und abweisend. Er beachtete auch das Winken des davon reitenden
Ölprinzen nicht. Stumm ritt er weiter, seinem Dorfe zu, um
seine Krieger zusammenzurufen zum Vergeltungskrieg gegen die Siedler.
FORTSETZUNG: DER ÖLPRINZ TEIL B
ORIGINAL
ALLE BILDER AUS DEM ULTRASCOPE-FARBFILM NACH DEM GLEICHNAMIGEN ROMAN VON KARL MAY
"DER ÖLPRINZ"
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FORTSETZUNG: DER ÖLPRINZ TEIL B