WINNETOU UND SEIN FREUND OLD FIREHAND

ORIGINAL FILM STORY UND FILM BILDER


FORTSETZUNG TEIL II:   TEIL I
WINNETOU UND SEIN FREUND OLD FIREHAND

Einige Zeit später waren alle überlebenden Bürger von Miramonte in der Cantina versammelt. Old Firehand, den sie alle bedingungslos als Anführer anerkannten, sagte ihnen genau, was sie zu tun hätten: "Die Kirche verteidigen Caleb und Ravenhurst mit einem Teil der Männer. Den Schuppen halten der Häuptling, seine Schwester und Tom, Die Cantina hält Mendozza mit dem andern Teil der Männer. Das Haus Mercier übernehmen Leon, Jace und ich. Jeder Posten muß jetzt sofort mit Lebensmitteln, Wasser und Munition versehen werden. Die Wachtposten werden alle zwei Stunden abgelöst. Und nun beeilt Euch, jeden Augenblick kann Silers angreifen."
Gespannt hatten alle Old Firehand zugehört und hie und da zustimmend genickt. Jetzt verließen sie schnell die Cantina, um sich auf ihre Posten zu begeben. Bald herrschte überall emsige Geschäftigkeit. Proviantsäcke wurden gefüllt und in die Stellungen getragen. Einige Männer füllten am Brunnen die Wassereimer. Andere gruben unter Ravenhursts Anleitung die Schützengräben. Mehrere von ihnen trugen noch Verbände. Michele und Ntscho-tschi halfen, die Verwundeten in die Kirche zu schaffen und auf das Heu zu betten. Dann holten sie die Frauen und Kinder ebenfalls in die Kirche. Das Vieh und die Pferde wurden in die halbabgebrannten Häuser gebracht und dort angebunden. Winnetou schlug mit einem Beil Schießscharten in die Kirchenwände, und Tom errichtete mit Pelzballen einen Wall davor. Old Firehand war fast überall zugleich. Er kontrollierte die Arbeiten, gab hier und dort noch einige Anweisungen und trieb alle zur Eile an.
Auch in der Cantina waren Löcher als Schießscharten in die Wand geschlagen und das Mobiliar als Schutzwall darum herum aufgebaut worden. Mendozza stellte ein Pulverfaß bereit und wies seinen Leuten ihre Plätze an. Der Wirt war ausschließlich damit beschäftigt, sein Hab und Gut in Sicherheit zu bringen und gut zu verstecken. Eine Indianerin half ihm dabei. Er kümmerte sich nicht im Geringsten um die Vorbereitungen zur Verteidigung. Mendozza beobachtete ihn immer wieder, wurde aber nicht klug aus ihm. Schließlich fragte er ihn barsch: "Auf welcher Seite steht Ihr eigentlich?"

Der Wirt ließ sich mit der Antwort Zeit. Er griff zuerst nach einer Pistole und steckte sie in seinen Gurt. Dabei sagte er endlich: "Ihr seid verdammt neugierig, Mendozza!" Mehr war aus ihm nicht herauszubringen.
Im Schuppen war Tom dabei, mit einem Balken eine Wand abzustützen. Da kam Ntscho-tschi mit einem Eßgeschirr herein und lächelte: "Ich bringe Euch etwas zu essen, ich dachte, Ihr hättet vielleicht Hunger." Tom tat entrüstet und schimpfte sie aus: "Du bist ja nicht bei Trost, jetzt hierher zu kommen! Du gehörst zu den Frauen in die Kirche. Dein Bruder ist auf Wache, wenn Du ihn suchst." Aber Ntscho-tschi achtete nicht auf Toms Geschimpf. Die stolze Häuptlingstochter war gewohnt, selber zu entscheiden, was sie tun oder lassen wollte. Sie blieb im Schuppen, um ihrem Bruder und Tom zu helfen.
Der Unteranführer Wirz und vier Banditen ritten in vollem Galopp über den Paß auf Miramonte zu. Sie hatten den Auftrag, die Stärke der Verteidigung auszukundschaften. Weit vor ihnen schoben sich fünf Gewehrläufe über einen Felsenrücken, aber die dazugehörigen Schützen blieben unsichtbar. Als die Reiter nahe genug heran waren, wurde aus jedem Gewehr ein Schuß abgefeuert. Die vier Banditen stürzten getroffen aus den Sätteln, überschlugen sich und blieben liegen. Auch Wirz war getroffen, konnte sich aber im Sattel halten und flüchten. Jetzt erst kamen die Schützen aus ihrer Deckung heraus. Es waren Winnetou und vier Bürger von Miramonte. Sie rannten zu den gefallenen Banditen und nahmen ihnen die Gewehre ab, denn Waffen brauchte man jetzt in Miramonte dringend.

Unterdessen war die Nacht hereingebrochen. Ruhig lag die Stadt im Schein des vollen Mondes da. Nichts rührte sich, kein Laut war zu hören. Aber es war nur eine scheinbare Ruhe, die Stadt schlief nicht.
Im Hause Mercier standen Old Firehand und Jace nebeneinander an zwei Schießscharten und schauten wachsam in die Nacht hinaus. Dazwischen unterhielten sie sich leise über Vor- und Nachteile, Freuden und Gefahren des Trapper-

lebens. Bald kam Leon, um sie abzulösen, und Michéle brachte ihnen allen heißen Kaffee.
In der Kirche brannte nur das Ewige Licht und erleuchtete schwach den Raum. Frauen und Kinder schliefen im Heu, der Priester lehnte dösend am Altar. An den Schießscharten aber standen hellwach Ravenhurst, Caleb und einige Bürger. Auch sie schauten wachsam in die Nacht hinaus und horchten auf jedes Geräusch, das von draußen hereindrang.
Auch in der Cantina war es still. Mendozza und seine Leute hielten Wache. Der Wirt kam leise zur Hintertür herein und ging an ihnen vorbei. Mendozza warf ihm ein Gewehr zu und bedeutete ihm, den Mann an der nächsten Schießscharte abzulösen. Der Wirt gehorchte mürrisch und widerwillig.
Im Schuppen stand Tom auf der Wache. Ntscho-tschi schlief auf einigen Fellen in der Ecke. Da öffnete sich lautlos die Tür und Winnetou huschte wie ein Schatten herein. Er löste Tom ab, der sich jetzt zur wohlverdienten Ruhe niederlegte.
Ereignislos war die lange Nacht vergangen, doch endlich dämmerte der Morgen auf, und ein neuer Tag begann. Die Wächter in den vier Verteidigungsstellungen waren froh darüber. Die lange Nachtwache hatte sie ermüdet und an ihren Nerven gezerrt. Jetzt schien das Licht des Tages sie zu stärken und ihnen neuen Mut zu geben.
Im Schuppen stand Tom wieder auf Wache. Winnetou war nach Ablauf seiner Wachzeit wieder im Dunkel der Nacht verschwunden. Tom war müde. Er gähnte. Es war ganz still. Ntscho-tschi schlief noch. Endlich schlüpfte Winnetou lautlos herein. Da - ein Geräusch aus der Ferne, Tom war sofort hellwach. Das Geräusch wurde deutlicher, wurde zum fernen, dumpfen Dröhnen vieler Pferdehufe. Es kam näher und näher, wurde lauter und lauter. Gespannt lauschten Winnetou und Tom. Ntscho-tschi erwachte.
Im Haus Mercier hörten auch Old Firehand und Leon das Dröhnen. Michéle, die im Schaukelstuhl geschlafen hatte, stand auf und weckte Jace. Ihnen allen war klar, daß jetzt die Gefahr nahte.

In der Kirche rückten Ravenhurst und Caleb ihre Waffen zurecht. Der Priester erwachte und weckte die Frauen und Kinder. Die Männer nahmen schnell ihre Posten ein.
Als Mendozza das immer lauter anschwellende Dröhnen hörte, sprang er auf und gab seinen Männern knappe Anweisungen. Alle bemühten sich, schnell und leise zu gehorchen. Nur der Wirt blieb gleichgültig sitzen, bis Mendozza ihn am Kragen packte, vom Stuhl hochriß und gegen eine noch unbesetzte Schießscharte stieß. Jetzt stürzten drei mexikanische Wächter mit Gewehren herein, nickten Mendozza zu und stellten sich sofort auf ihre Plätze.
Nun war Miramonte zur Verteidigung bereit. Keine Sekunde zu früh, denn schon stürmten Silers und seine Kumpane heran. Knapp vor der Stadt hielten sie an und lösten Fackeln aus den Riemen am Sattel. Als sie bereit waren, zeigte Silers den Männern die Angriffsziele, und schon ging die wilde Jagd los. In drei Gruppen rasten sie auf die ruhig daliegende Stadt zu. Bald hatte die erste Gruppe den Eingang erreicht. Doch im gleichen Augenblick schlug ihnen das Feuer der Verteidiger entgegen, und die ersten Banditen wurden aus dem Sattel geschossen. Ohne darauf zu achten, jagte die Bande weiter, am Haus Mercier und an der Kirche vorbei. Schuß um Schuß fiel aus den Schießscharten, und keiner ging fehl. Eine andere Gruppe ritt mit brennenden Fackeln zum Schuppen. Auch sie wurden mit Schüssen empfangen, und zwei Banditen konnten ihre Fackeln nicht mehr auf das Schuppendach werfen wie die andern. Doch schon stand das Dach in Flammen. Winnetou kam heraus, warf sich in den Schützengraben und schoß mit Pfeil und Bogen. Die Gruppe mit Silers hatte das Ende der Straße erreicht, wendete und kam zurück. Jeder Bandit kämpfte nun auf seine Weise. Einer sprang vom Pferd, rannte zur Cantina und schoß durch eine Schießscharte hinein.
Auch die Kirche wurde angegriffen, aber Caleb und Ravenhurst verteidigten sie gut. Ravenhurst hielt in jeder Hand einen Revolver und schoß mit beiden gleichzeitig. Kein Schuß ging daneben. Caleb konnte sich vor Staunen über den merkwürdigen Engländer kaum fassen.

Im brennenden Schuppen war die Luft schwarz von Rauch und Qualm. Ntscho-tschi begann zu husten. "Wir müssen hinaus!" schrie Tom und riß die Tür auf. Ein Bandit mit gezogenem Revolver stürzte herein. Tom schlug ihm die Waffe aus der Hand und stieß ihn zu Boden. Winnetou hob blitzschnell den Revolver auf und schoß damit noch vom Boden aus auf einen zweiten Banditen. Jetzt rannten sie los. Tom voran, Ntscho-tschi in der Mitte und als letzter Winnetou. Für einen Augenblick fanden sie hinter einem umgestürzten Ochsenkarren Schutz vor den Kugeln der Feinde. Aber jetzt sprangen einige Banditen von den Pferden und nahmen den Nahkampf mit ihnen auf. Old Firehand beobachtete sie durch eine Schießscharte, winkte Leon und Jace heran, und sie nahmen die Banditen unter gut gezieltes Feuer. Tom bemerkte dies sofort und rief Winnetou zu: "Los, sie geben uns Feuerschutz!" Und tief gebückt rannten die drei, nach allen Seiten schießend, auf das Haus Mercier zu. Jace ließ sie ins Haus und verriegelte hinter ihnen sofort die schwere Tür. Silers organisierte jetzt mit mehreren Männern einen Angriff auf die Cantina. Mendozza sah sie kommen und überblickte seine Männer. Die meisten waren tot oder verwundet, nur wenige waren noch kampftüchtig. Mendozza sah, daß sie die Cantina unmöglich würden halten können, und befahl: "Schluß, Männer, wir müssen hier weg! Kommt!" Der Wirt band einen weißen Fetzen an sein Gewehr, und während Mendozza mit dem Rest seiner Männer das Haus durch die Hintertür verließ, stieß er ein Fenster auf und schwenkte das Gewehr mit dem weißen Tuch. "Sie verlassen die Cantina!" gab er damit den Banditen zu verstehen. Silers sah die weiße Flagge und befahl: "Los, schießt alle ab!" und rannte voran auf die Cantina zu. Mendozza, noch in der Hintertüre, sah, was der Wirt machte, und begriff sofort, was es bedeuten sollte. Wütend packte er ein Pulverfaß und rollte es durch die Wirtsstube auf den Verräter zu. Dann schoß er hinein, und eine gewaltige Explosion ließ das Gebäude auseinanderbersten. Eine Feuersäule schoß auf, und glühende Holzstücke regneten auf die angreifenden Banditen nieder. Mendozza und seine Männer konnten sich in der Kirche in Sicherheit bringen.

Die Banditen hatten Mühe, sich aus den brennenden Trümmern zu retten. Einstweilen hatten sie jetzt vom Kampf genug. Ohne Silers zu fragen, schrie Derks: "Zurück, alles zurück!" und schon galoppierte er mit den ersten davon. Die andern folgten, so schnell sie konnten. Silers sah, daß seine Kumpane ihn im Stich ließen. Wütend fing er eines der herrenlos umherirrenden Pferde ein, sprang auf und jagte ihnen nach. Im Lager angekommen herrschte Silers Derks kochend vor Zorn an: "Was fällt Dir ein, von Dir aus den Befehl zum Rückzug zu geben!" Derks antwortete heftig: "Ich sah Dich nirgends und glaubte, es habe Dich erwischt..." - "Es hat mich aber nicht erwischt!" fuhr ihn Silers an, "und merke Dir eines: Solange in Miramonte noch eine Seele am Leben ist, gibt es keine Ruhe ... und wenn Ihr alle draufgeht dabei!"
Die Verteidiger von Miramonte konnten sich eine Atempause gönnen. Der erste Angriff war abgeschlagen. Aber allen war klar, daß bald ein zweiter folgen würde.
Old Firehand stand mit den andern Anführern der Verteidigung in der Kirche beisammen und beriet mit ihnen das weitere Vorgehen. Der Schuppen und die Cantina seien verloren und das Haus Mercier ohne Deckung unmöglich zu halten, erklärte er. "Also müssen wir uns alle hier zur Verteidigung einrichten", schloß er dann.
Mendozza machte sich Vorwürfe, daß er die Cantina in die Luft gejagt hatte, aber Old Firehand beruhigte ihn: "Wir haben viel Munition verloren, das ist wahr, aber die Banditen haben dabei so große Verluste erlitten, daß sie sich zurückzogen. Dadurch haben wir ein wenig Zeit gewonnen. Das ist wenigstens etwas, aber wie soll es jetzt weitergehen? Wir können höchstens noch einen Angriff abschlagen, danach sind wir hoffnungslos verloren, wenn nicht ein Wunder geschieht." Die Männer wollten aber den Mut nicht sinken lassen. "Wir kämpfen bis zur letzten Patrone!" rief Caleb. Und Tom schlug vor: "Wenn wir die Munition von den gefallenen Banditen einsammeln, halten wir länger durch!" Winnetou hatte mit nachdenklichem Gesicht eine Weile zugehört, sich

dann abgewandt und war ohne Wort weggegangen. Jetzt hörte man Pferdegetrappel. Alle schauten schnell hinaus und sahen Winnetou in den Bügeln zwischen seinem Iltschi und einem andern Pferd stehend um die Kirche herumreiten und dann die Straße entlangjagen. An Iltschis Sattel hingen die Silberbüchse, ein Bogen und ein Köcher mit Pfeilen. "Wo reitet er denn hin?" fragten alle erstaunt durcheinander. Ntscho-tschi, die auch dabei stand, sagte ruhig: "Er holt Hilfe herbei!"
Einer von Silers Wachtposten hörte die Pferde herangaloppieren und rief: "Da kommt jemand!" Sofort kam Silers herbei, beobachtete scharf die beiden Tiere und sah erst im letzten Moment, daß ein Mann dazwischen in den Steigbügeln hing. Er riß dem Wächter den Revolver aus der Hand und schoß. Das eine Pferd wurde getroffen und stürzte. Jetzt schwang sich Winnetou auf Iltschi und verschwand schon hinter einem Hügel, bevor Silers zum zweitenmal feuern konnte. Winnetou ließ seinen Iltschi in schnellstem Lauf dahinjagen. Plötzlich zügelte er ihn und schaute scharf voraus. Er sah eine Kavalkade mexikanischer Reiter. Sie folgte einem schmalen Weg, der sich über einem tiefen Abgrund an einer hohen, steilen Felswand entlangschlängelte. Winnetou war sicher, Hilfe für seine Freunde gefunden zu haben, und jagte den Reitern entgegen. Mit fliegendem Atem hielt er vor dem Anführer und rief ihm zu: "Ich bin Winnetou, der Häuptling der Apatschen! Ich bitte Euch um Eure Hilfe!" Quilvera, der Anführer, erwiderte hochmütig: "Die Indianer waren nie unsere Freunde!" - "Ich brauche Eure Hilfe nicht für mich", erklärte Winnetou, "ich brauche sie für Eure Brüder. Miramonte wird von Silers und seiner Bande belagert! Jede Minute ist wichtig!" Quilvera warf dem hinter ihm haltenden Reiter einen Blick zu und sagte dann: "Gut, Häuptling, wir helfen Euch, schließt Euch uns an." Damit ritt er weiter. Dabei ging ein seltsam verschlagenes Lächeln über sein Gesicht. Der Soldat lenkte sein Pferd an Winnetous Seite, und die beiden ließen die lange Reihe der Reiter an sich vorbeigaloppieren. Kaum war der letzte vorüber, gab der Soldat seinem Pferd die scharfen, mexikanischen Sporen,

so daß es vor Schmerz aufwieherte und sich hoch aufbäumte. Dann fiel es mit den Vorderbeinen direkt auf Winnetou und schleuderte ihn vom Pferd. Er rollte den steilen Abhang hinunter und stürzte, sich immer wieder überschlagend, in den Abgrund. Unten blieb er bewegungslos liegen. Der Soldat grinste ihm teuflisch nach, zog die Silberbüchse aus Iltschis Sattel und galoppierte den andern nach. Iltschi blieb am Abgrund stehen und wandte den Kopf, als suche er seinen Herrn. Plötzlich begann er sich langsam und vorsichtig einen Weg den steilen Abhang hinunter zu suchen. Unten im Abgrund, zwischen Felsen und Sträuchern, lag Winnetou bewußtlos. Iltschi näherte sich ihm, senkte den Kopf zu ihm nieder und wieherte leise. Jetzt schlug Winnetou die Augen auf, bewegte vorsichtig den Kopf hin und her und versuchte dann, sich aufzurichten.
Unterdessen blieben die Verteidiger von Miramonte nicht untätig. Sie schafften alle Proviantvorräte, die nötigsten Kleider und alles, was sich als Verbandstoff gebrauchen ließ, in die Kirche hinüber. Dort ging es fast zu wie in der Arche Noah.
Das überlebende Vieh war in einer Ecke angebunden, und eine Frau molk friedlich ihre Ziege. In hölzernen Käfigen gackerten Hühner, ein Hund schnupperte überall umher. Die Frauen sorgten für die Kinder und die Verwundeten, die Männer legten Gewehre und alle verfügbare Munition griffbereit. Tom huschte flink draußen zwischen den Trümmern umher und nahm den toten Banditen die Waffen ab. Ntscho-tschi sammelte in einem Bastkorb die verstreute Munition. Caleb hielt auf dem Kirchturm Wache. Ravenhurst kommandierte eifrig einige Männer, die nach seiner Anweisung an verschiedenen Stellen Seile verankerten, sie dann über die Straße spannten und zuletzt durch die Schießscharten in die Kirche zogen. Draußen legten sie die Seile auf die Straße

und bedeckten sie mit Sand und Steinen. "Dieser kleine Trick wird unsere Freunde überraschen", sagte Ravenhurst dabei zu Michéle, doch näher erklärte er seine Absichten nicht. Capitan Quilvera hatte mit dem sicheren Instinkt des Gauners Silers Hauptquartier in den Felsen vor Miranionte schnell gefunden. Er bot dem Banditenführer seine Hilfe und die der ganzen Reiterkompanie an. Sie seien geübt im Einnehmen von Städten, besonders wenn dort Schätze zu holen seien, wie es in Miramonte sicherlich der Fall sein müsse. Aber Silers erklärte ihm kurz, es gehe ihm nicht um eine reiche Beute, sondern um Rache für seinen ermordeten Bruder. Einen Augenblick stutzte Quilvera. Doch dann sagte er großartig: "Sie gefallen mir, Sie sind ein Mann von Herz wie ich. Ich bestehe darauf, Ihnen zu helfen. Sie bekommen Ihre Rache, und ich - bekomme alles, was in Miramonte zu holen ist." - "Einverstanden", antwortete Silers knapp, "wann reiten wir?" - "Jetzt", sagte Quilvera und bestieg sein Pferd.
Silers und Quilvera führten den Zug der Banditen und der Reiter des Capitans an. In einer Staubwolke stoben sie dahin, auf Miramonte zu, um es zu erobern. Als sie schon auf die zerstörte Stadt hinuntersehen konnten, hatte Quilvera plötzlich eine Idee. "Warum sollen wir eigentlich unsere tapferen Männer opfern?" sagte er zu Silers. "Das hier ist besser und ungefährlicher." Er riß seine weiße Schärpe vom Hals, warf sie einem Reiter zu und befahl ihm, sie zuvorderst an seinem Gewehrlauf zu befestigen. Als das geschehen war, gebot er Silers, mit der ganzen Truppe hier zu warten. Er selber ritt los, und der Mann mit der weißen Flagge folgte ihm. Ungestört ritten sie in Miramonte ein und hielten erst vor der Kirche.

Die Männer in der Kirche sahen die beiden Reiter kommen, wußten aber nicht recht, was sie von ihnen und der weißen Flagge halten sollten. Von draußen hörten sie Quilvera rufen, der Kommandant solle zu einer Unterredung herauskommen. Mendozza überlegte kurz, ging dann aber zur Tür, um sie zu öffnen. Aber Old Firehand riet ihm: "Bleibt hier, laßt ihn kommen, wenn er verhandeln will." Dann traten beide vor die Tür, und Mendozza rief: "Wenn Ihr mit uns reden wollt, dann kommt zu uns, wir respektieren die weiße Flagge!" Quilvera ritt ein paar Schritte näher heran und wandte sich dann an Old Firehand. Er bot ihm und seinen Leuten freien Abzug über den Paß an. Aber Old Firehand erwiderte, es eile ihm nicht, Miramonte und seine Freunde hier zu verlassen. Und Tom fügte hinzu: "Oder auf dem Paß umgelegt zu werden!" Quilvera ging nicht darauf ein. Mit bilderreichen Reden bearbeitete er dafür Mendozza: Er solle sich seiner Übermacht kampflos ergeben, um so die Herde der ihm anvertrauten Schafe vor der wilden Meute seiner - Quilveras - und Silers Wölfe zu beschützen. Aber Mendozza ließ sich nicht überlisten, und Old Firehand rief dem Capitan zu: "Fragt Silers, wieviele Leute er vor seinem Oberfall hatte, und wieviele ihm davon geblieben sind!" - "Nun gut", entgegnete Quilvera nach kurzem Überlegen, "wir brauchen Euch ja nicht anzugreifen. Wir haben Proviant und Wasser genug, wir brauchen nur zu warten!" Er wandte sein Pferd und galoppierte davon, zu Silers zurück. Der Flaggenträger folgte ihm eilig. Old Firehand und Mendozza gingen in die Kirche zurück und verriegelten die Tür. Alle machten sich bereit für einen Kampf auf Biegen und Brechen. Mendozza sagte im Vorbeigehen vorwurfsvoll zu Ntscho-tschi: "Ist das die Hilfe, die Euer Bruder holen wollte?" Die Indianerin schaute ihn nur an und antwortete nicht. Tom kletterte mit zwei Männern in den Glockenstuhl hinauf, um freie Sicht und ein großes Schußfeld zu haben. Die Menge in der Kirche wandte sich dem Priester zu, beugte die Knie und senkte die Köpfe. Der Priester faltete die Hände und sprach ein Gebet.

zeigen, wie man eine Stadt erobert, ohne einen Mann zu verlieren. Her mit dem Dynamit, wir jagen das ganze Drecknest in die Luft!" Doch damit war Quilvera nicht einverstanden. Er sagte sich, daß die Leute von Miramonte sicherlich ihre Kostbarkeiten in die Kirche gebracht hätten. Und diese Schätze gehörten ihm. Wenn Silers zu feige wäre, würde er sie sich allein holen. Mit eiskalten, unnachgiebigen Blicken fochten die beiden darauf einen kurzen, stummen Zweikampf aus. Dann gab Silers plötzlich seinem Pferd die Sporen, und mit dröhnenden Hufen galoppierte die Schar von über vierzig Reitern ihm nach, hinein nach Miramonte.
Die Verteidiger in der Kirche hörten die Feinde nahen und schauten alle in die Richtung, aus der bald der Angriff kommen würde. Unbeobachtet nahm der Priester das Kruzifix vom Altar, schlüpfte hinaus und eilte mit dem hocherhobenen Kreuz den Angreifern entgegen. Old Firehand rief ihn zurück, aber er ging unbeirrt weiter. Als Silers und Quilvera heranpreschten, streckte er ihnen das Kreuz mit beiden Händen entgegen. Quilvera stoppte, Silers wollte schießen, doch der Mexikaner drückte ihm den Gewehrlauf hinunter und rief: "Nicht, es ist der Priester!" Aber schon zog Silers den Revolver und schoß. Erschrocken schlug Quilvera das Kreuz über der Brust. Aber Silers brüllte wild: "Vorwärts!" und stürmte allen voran auf die Kirche zu.
Dort standen an einer Schießscharte drei Männer und hielten jeder eines der hereinhängenden Seile gepackt. Ravenhurst stand hinter ihnen. Als die Feinde heran waren, gab er das Zeichen, und die drei Männer zogen mit aller Kraft an den Seilen. Vor den Nasen der Pferde schnellten draußen die Seile hoch, die Pferde rannten hinein, stolperten, überschlugen sich, brachen zusammen. Es entstand ein heilloses Durcheinander, in welches die Schüsse der Verteidiger krachten. Ravenhurst gab das zweite Zeichen, und an der andern Seite der Kirche wurden die Seile straffgezogen. Quilvera konnte ein hochschnellendes Seil gerade noch überspringen, aber seinen Reitern ging es nicht besser als vorher den Banditen. Pferde stürzten, Männer wurden von den Schüssen der Verteidiger getroffen.

Auch bei der dritten Seilfalle ereignete sich dasselbe. Pferde stürzten auf ihre Reiter, Schüsse krachten, und nur wenige der Angreifer konnten aus dem Durcheinander entkommen. Oben auf dem Kirchturm saß Tom mit einem Knecht. Beide schossen, so schnell sie konnten. Nach jedem Schuß gingen sie hinter der steinernen Brüstung in Deckung. Aber Quilvera hatte sie entdeckt. Er schoß hinauf und traf den Knecht, der sein Gewehr fallen ließ.
Obschon die Verluste unter den Angreifern hoch waren, dachten sie doch nicht an Flucht. Einige hatten sich nach ihrem Sturz an den Seilfallen wieder aufgerappelt und kämpften sich nun zu Fuß an die Schützengräben heran, sprangen hinunter und versuchten, durch die unterirdischen Gänge in die Kirche einzudringen. Aber sie wurden von Old Firehand, Jace, Leon und Caleb empfangen und gelangten nicht in die Kirche. Ihnen folgten andere, und zwei von diesen krochen geschwind durch die Höhlung in die Kirche hinein. Aber Ravenhurst machte den einen mit seiner Duellpistole und den andern mit seinem Stockdegen unschädlich. Caleb, der eben hereinkroch, um neue Munition zu holen, sah eine Hand mit einer Pistole in der Schießscharte auftauchen. Er sprang hinzu, riß die Pistole aus der Hand und schoß nach draußen. Die Hand verschwand.

Auf der Paßhöhe vor Miramonte saßen zwei Dynamenteros, das sind Spezialisten für Sprengungen. Neben ihnen standen ihre Packpferde, die schwer mit Dynamitpatronen beladen waren. Zufrieden beobachteten die Männer den Kampf in Miramonte. Grinsend sagte einer: "Jetzt geht es nicht mehr lange, bis wir an der Reihe sind." Aber im gleichen Augenblick verzog sich sein Gesicht in ungläubigem Erstaunen, und er fiel vornüber. In seinem Rücken steckte ein Indianermesser. Der zweite Mann riß erschrocken den Revolver heraus und fuhr herum. Er konnte die Waffe nicht mehr anlegen, ein Tomahawk kam geflogen und fällte ihn wie einen

Baum. Leise verschwand Winnetou hinter den Felsen. Die Dynamitpferde blieben allein zurück. Sie waren nicht angebunden.
Silers und Quilvera sahen indessen ein, daß sie die Kirche nicht würden einnehmen können. Sie bliesen zum Rückzug. Die Verteidiger in der Kirche atmeten erleichtert auf. In den Felsen des Passes sammelten sich die Banditen wieder. Die beiden Anführer gerieten hart aneinander. Silers wollte die Kirche in die Luft sprengen, aber Quilvera hatte nicht im Sinn, seine Beute preiszugeben. Schon griffen die beiden zu den Revolvern, um mit ihnen den Streit auszutragen. Da kam eines der Dynamitpferde herangaloppiert. Es hatte die andern Pferde gewittert und wollte sich zu ihnen gesellen. Die Männer hielten inne und starrten entsetzt auf das Pferd wie auf eine Erscheinung aus der Hölle. Das dynamitbeladene Tier raste direkt auf sie zu. Alle Zündschnüre brannten. "Hinwerfen!" schrien Silers und Quilvera gleichzeitig. Da war das Pferd heran. Im gleichen Moment erreichten die unscheinbaren Flämmchen der Zündschnüre das Dynamit, und dieses ging in einer ungeheuren Explosion in die Luft. Viele Banditen wurden davon erfaßt und getötet.
Von der Wucht der Explosion hatte sogar die Kirche gezittert. Jetzt stürzten alle an die Schießscharten und spähten neugierig hinaus. Tom, der vom Kirchturm aus alles gesehen hatte, schrie laut: "Die Banditen sind in die Luft geflogen! Regelrecht explodiert sind sie!" Und schon warf er das Glockenseil nach draußen und ließ sich daran hinuntergleiten, um Old Firehand diese Wendung der Dinge mitzuteilen. "Das ist vielleicht unsere Rettung", rief dieser den andern zu und eilte mit ihnen vor die Kirche hinaus, Hier wählte er zehn Männer aus, die als Wache zurückbleiben sollten. Mit den andern eilte er dem Paß zu.

Silers sah sie kommen und versuchte seine und Quilveras Leute in dem heillosen Durcheinander nach der Explosion wieder zu sammeln. Nur noch etwa fünfzehn Mann folgten schließlich seinem Befehl und gingen sogleich in Deckung. Inzwischen waren Old Firehand und seine Männer herangekommen. Quilvera schrie ihnen zu: "Mendozza soll sich ergeben, dann schonen wir Eure Leute!" Aber Old Firehand antwortete: "Der Sarganto hat keine Zeit, ihr müßt mit mir vorlieb nehmen!" Schon stand er auf und ging unter dem Feuerschutz von Tom und Caleb auf die Banditenführer zu. Quilvera befahl jetzt: "Befehlt Euren Leuten, sich zu ergeben, ich zähle bis drei!" Als er "zwei" gezählt hatte und nichts geschah, legte Silers auf Old Firehand an. Da krachte ein Schuß, und Silers Gewehr, von der Kugel getroffen, zersplitterte. Hoch oben auf einem Felsen stand Winnetou, ein rauchendes Gewehr in der Hand.
Nun begann der letzte Kampf. Verzweifelt wehrten sich die Banditen, suchten mit List und Tücke zu erreichen, was im offenen Angriff nicht zu erreichen war. Tom rettete Old Firehand vor einer Kugel, aber ein hinterrücks von einem Banditen abgegebener Schuß kostete ihn selbst das Leben. Als Old Firehand seinen Freund Tom sterben sehen mußte, übermannte ihn rasender Zorn. "Bleib zurück!" rief er Jace zu, "was jetzt zu tun ist, muß ich allein tun!" Er stürmte weiter. Winnetou schloß sich ihm ohne weiteres an. Im Laufen schüttelte er dem Häuptling die Hand und sagte: "Ich wußte, daß Ihr uns nicht im Stich lassen würdet! Die Explosion war Euer Werk, nicht wahr!" Da schlug eine Kugel neben ihnen in den Felsen, und sie sahen Silers eilig fliehen. "Gebt mir Euren Bogen, Häuptling", sagte Old Firehand, "eine Kugel ist zu schade für ihn." Mit dem Bogen und zwei Pfeilen schlich er Silers nach. Winnetou blieb zurück, um ihm den Rücken zu decken. Er hörte ein Geräusch und sah den Mexikaner, der ihn in den Abgrund gestoßen hatte, mit seiner Silberbüchse auf Old Firehand zielen. Ein Schuß aus seinem Revolver

Die Banditen waren besiegt. Die Bevölkerung von Miramonte atmete auf. Ihre Stadt war zerstört, aber sie würden sie wieder aufbauen. Das Leben würde weitergehen.
In der Kirche hatte man die Spuren des Kampfes so gut wie möglich beseitigt. Die Tore standen offen, Sonnenlicht flutete herein. Auf sauberem Stroh lagen die Verwundeten, von Leon sorgfältig gepflegt.
Auf dem Friedhof waren die Toten begraben worden. Auf Toms Grab setzten Old Firehand und Caleb ein einfaches Holzkreuz. Ergriffen standen Ntscho-tschi und Winnetou dabei.
Die Männer begannen bereits mit dem Wiederaufbau der zerstörten Häuser. Die Frauen trieben das Vieh zusammen und die Kinder fingen die Hühner wieder ein.

Michéle und Old Firehand standen zusammen am Brunnen. Old Firehand hatte beschlossen, sein wildes, einsames Trapperleben aufzugeben, Michéle zu heiraten und ihrem Sohn Jace ein guter Vater zu sein. Er versprach ihnen, eine Farm zu kaufen und sie mit ihnen zusammen zu bewirtschaften. Nur im Winter wollte er vielleicht hie und da mit Jace ausziehen zur Jagd in der weiten Prärie. Michéle war glücklich darüber. Nur Ravenhurst war nicht einverstanden. Er hätte Michéle gern selber geheiratet. Er wollte sich sogar mit Old Firehand schlagen deswegen. Aber natürlich zog er den kürzeren und schickte sich pfeifend ins Unabänderliche.


ORIGINAL

ALLE BILDER AUS DEM ULTRASCOPE-FARBFILM
"WINNETOU UND SEIN FREUND OLD FIREHAND"
NACH ROMAN-MOTIVEN VON KARL MAY
COPYRIGHT ©1966
PRODUKTION: RIALTO/ JADRAN FILM
VERLEIH: COLUMBIA-BAVARIA


FILM-PLAKATE-POSTER



Plakat DIN A1 "Winnetou und sein Freund Old Firehand"
(EA Columbia-Bavaria 1166) und (WA Columbia 1971)


REFERENZ

Erscheinungsjahr 1966  (EA 13.12.1966)
Regie Alfred Vohrer
Drehbuch David DeReszke, C. B. Taylor, Harald G. Petersson
Musik Peter Thomas
Kamera Karl Löb
Film Ultrascope (2.35:1), 35 mm, Eastman Color
Original-Film (KINO) 2575 m = 94 min. 07 sec.
TV/VIDEO/DVD * 90 min. 21 sec.
FSK: Ab 12 Jahren
Bemerkungen -
Prädikat -
* Die Differenz zur Kinofilm Laufzeit erklärt sich durch die um ein Bild pro Sekunde höhere Video Bildfrequenz.
(KINO 24 Bilder/Sek.) (TV 25 Bilder/Sek.) (PAL-SYSTEM)